MS
Leben mit Multipler Sklerose
Allein in der Schweiz wird täglich ein Patient neu mit der erschreckenden Diagnose MS konfrontiert. Doch was bedeutet diese autoimmune, chronisch-entzündliche neurologische Erkrankung für Betroffene und ihr Umfeld?
Rund 15’000 MS-Patientinnen und Patienten leben in der Schweiz. Die Anzahl der Neuerkrankungen ist aus unbekannten Gründen steigend. Meist wird die Diagnose im Alter zwischen 20 und 40 Jahren gestellt. Ein Schock, so jung mit einer unheilbaren, chronischen Krankheit konfrontiert zu werden. «MS ist für Betroffene wie auch für Angehörige ein Einschnitt im Leben», weiss Susanne Kägi, seit 14 Jahren Co-Bereichsleiterin Beratung bei der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft. «Manche leben weitgehend normal weiter, andere müssen ihre Lebenspläne rasch anpassen. Doch auch mit MS kann sich ein Kinderwunsch noch erfüllen oder der Beruf bis zur Pensionierung ausgeübt werden». Das macht Hoffnung. Was die Diagnose im Einzelfall bedeutet, kann jedoch kein Spezialist vorhersagen – jeder Fall verläuft anders. «Diese nicht vorhersehbare Zunahme von Behinderungen ist schwierig. Aber: MS bedeutet nicht zwingend ein Leben im Rollstuhl, wie viele befürchten. Die Hälfte aller Patienten ist nie darauf angewiesen.»
Warum ich?
Die Frage nach dem Warum bleibt unbeantwortet, die Ursache für MS ist nicht bekannt. Da Frauen doppelt so häufig betroffen sind, wird vermutet, dass die Hormone eine Rolle spielen. Fakt ist: MS ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, also von Gehirn und Rückenmark. Zur Entzündung kommt es, weil die sogenannte Nervenisolierschicht vom Immunsystem angegriffen und die schützende Myelinschicht zerstört wird. Zudem werden Nervenfasern und -zellen beschädigt, was die Signalweiterleitung stört. Susanne Kägi: «Die ersten Symptome sind häufig Seh-, Gefühls- oder Gleichgewichtsstörungen sowie Müdigkeit, die sogenannte Fatigue». Weitere Symptome der MS sind Konzentrationsschwäche und Sensibilitäts-, Sprech- und Schluckstörungen, Lähmungen, Blasen-Darm-Störungen, Muskelschwäche oder -steife, sexuelle Funktionsstörungen, Depressionen und Schmerzen. Doch MS ist kein Todesurteil. «Die Sterblichkeit ist dank der heutigen Medikamente viel geringer geworden – dennoch sollte das Thema ‹Angst vor Sterben› in der Familie nicht verschwiegen werden, vor allem wenn Kinder da sind. «Sie machen sich Sorgen und können nicht einschätzen, was die Krankheit bedeutet», weiss die Fachfrau.
Formen von MS
MS wird in drei Verlaufsformen unterschieden. Die primär chronisch progrediente MS verläuft stetig zunehmend. Bei der schubförmig remittierenden MS kommt es zu akuten Schüben. Beschwerden treten plötzlich auf und lassen mit Abklingen der Entzündung manchmal komplett, manchmal nur teilweise nach. Die sekundär chronisch progrediente MS verläuft zu Beginn schubförmig und wird später chronisch. «Die Form kann sich jedoch im Verlauf verändern, erst schnell voranschreiten und sich dann verlangsamen, oder umgekehrt», weiss die Fachfrau. «Doch es gibt Medikamente, die Schübe reduzieren und im besten Fall den Verlauf gar für einige Zeit stoppen können.» Nebst medikamentöser Therapie helfen Physio- oder Ergotherapien, psychologische Betreuung oder ein Aufenthalt in einer Reha-Klinik. Patienten wird ein Rauchstopp empfohlen, eine ausgewogene und mediterrane Ernährung, genügend Vitamine und ausreichend Schlaf. «Vorbeugen kann man einer Multiplen Sklerose nicht. Aber», so Susanne Kägi, «am Unispital Zürich laufen Forschungen zu einer möglichen MS-Impfung. Ausserdem sind viele Medikamente in der Pipeline, die wir in den nächsten Jahren erwarten.»