Entwickeln Sie den 5. Sinn!
Im Alltag lassen wir uns zu oft vom Verstand leiten, statt auf die Weisheit unseres Körpers zu hören. Wer den Draht zu seinem «Körpersinn» wieder aufbaut, lebt aber gesünder.
Weil wir keinen richtigen Bezug zu unserem Körper haben, gibt es viel zu viel chronische Müdigkeit und Burnout, zu viel Diabetes und Depressionen, zu viel Herzinfarkt und Mobbing, zuviel Übergewicht und Magersucht. Die meisten Zivilisationskrankheiten könnten aus dem ‹Pschyrembel›, dem Buch der Mediziner, verschwinden, wenn wir unseren Körpersinn wieder entdecken – und benutzen», meint die Bestsellerautorin Marion Grillparzer. Wir haben es verlernt, auf die weise Stimme unseres Körpers zu hören. Heutzutage gibt meist der Kopf den Ton an – und der Körper hängt einfach unten dran. Und der muss mitmachen und aushalten, was der Verstand diktiert – seien es unzählige Überstunden bei der Arbeit, freudloses Krafttraining oder eine einseitige Diät für eine schlankere Linie. Aufmerksam auf den Körper werden wir erst dann, wenn der Rücken schmerzt, das Herz verrückt spielt oder ein Burnout droht.
Der fünfte Sinn
«Viele Menschen können ihren Körper nicht richtig wahrnehmen», so die Autorin. Sie spüren nicht, was sich ihr Körper (nicht der Kopf!) wünscht – sei es ein Nickerchen in der Hängematte, eine Walkingrunde an frischer Luft oder eine satte Portion Streicheleinheiten.
Wer gesund sein und bleiben möchte, sollte hinhören, was sein Körper ihm erzählt. Und wieder lernen zu fühlen, was ihm gut tut und wann ihm etwas zu viel wird. Die Stimme des Körpers nennt Grillparzer den «Körpersinn». Er besteht aus dem äusseren und dem inneren Tastsinn und ist neben dem Sehen, Hören, Riechen und Schmecken unser fünfter Sinn.
Berührungsmangel schwächt
«Der Tastsinn ist der erste Sinn, der sich im Mutterleib ausprägt. Babys nuckeln am Daumen, kratzen sich an der Nase und zupfen an der Nabelschnur.» Der Tastsinn sitzt aber nicht nur in den Händen und auf den Fingerkuppen: Unsere ganze Körperhaut ist mit Tastkörperchen ausgestattet, die Berührungsreize aufnehmen. Und diese wollen berührt werden, denn zum Überleben brauchen wir nicht nur Essen und Luft, sondern auch Streicheleinheiten! Dies weiss man bereits seit dem Mittelalter, als Kaiser Friedrich II. ein Experiment machte und seinen Ammen verbot, die Babys zu streicheln und zu herzen. Mit grausamen Folgen: Alle Babys starben.
Liebevolle Berührungen sind nicht nur ein Genuss – sie beschenken den Körper auch mit gesundheitsfördernden Wohlfühl-Hormonen wie Oxytocin, Serotonin und Endorphinen. Diese senken den Spiegel an Stresshormonen, lassen Ängste schwinden und mindern Aggressivität. «Ein Mangel an Berührung ist einer der Gründe, warum Gewalt zunimmt», so Marion Grillparzer. Natürliche Berührungen werden leider immer seltener – nicht nur aus Schutz vor Übergriffen, sondern auch weil unsere Welt virtueller wird und immer mehr Menschen alleine leben.
Wer keinen Partner hat: Massagen sind nicht nur eine wohltuende, sondern auch gesunde Alternative, seine Streicheldepots auffüllen zu lassen!
Sich wieder wie ein Kind bewegen
Der innere Tastsinn widerspiegelt – vereinfacht gesagt – die Gesamtheit der Erfahrungen, die wir im Leben gemacht haben. Ob Freude, Angst oder Trauma: Was immer unsere Seele im Leben entzückt oder verletzt hat, wird auch im Körper abgespeichert. Im negativen Fall als Muskelverspannung oder Energieblockade, die den Zugang zum unserem fünften Sinn erschwert. Förderlich sind einerseits professionelle Körpertherapien, die helfen, seelische Krusten aufzulösen. Andererseits alltägliche Bewegungen – wie ein paar spontane Tanzschritte zu fetziger Musik am Morgen beim Kaffeemachen, Fuss-Wippen beim Zähneputzen oder ein paar Kniebeugen beim Kochen – um die natürliche, «kindliche» Bewegungslust zu reaktivieren.
Buch-Tipp
«Der Feelgood-Faktor» heisst das neue Buch von Marion Grillparzer, das sie zusammen mit Susanne Wendel geschrieben hat. Darin laden die Autorinnen u. a. zu zahlreichen kleinen Expeditionen ein, die helfen, den eigenen Körper wieder besser zu spüren. Südwest Verlag, Fr. 28.50.
Unternehmen Sie eine kleine Körper-Expedition:
Befreien Sie 30000 Nervenenden, 26 Fussknochen, 33 Gelenke, 20 Muskeln und 114 Bänder aus den toten, steifen Tierhäuten – und entdecken Sie barfuss die Welt: Laufen Sie über die kalten Fliesen im Bad, über das Holzparkett im Wohnzimmer, machen Sie auf dem Teppich kehrt und verlassen Sie das Haus. Asphalt, Wiese, Waldboden, Wurzelwerk, Kieselwege – da gibt es viel zu fühlen. Und zwar im ganzen Körper. Nicht wundern, wenn sich der Nacken entspannt, das Bauchweh verschwindet, wenn Fröhlichkeit hochsteigt.
Infos über Barfusspfade in der Schweiz:
www.barfusspark.info/laender/schweiz.htm