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Am Ufer des Loch Ness trohnt das Urquhart Castle.
Auf den Spuren von Nessie
Die Sage um das mysteriöse Seeungeheuer vom Loch Ness lockt jährlich viele Besucher in die schottischen Highlands. Auch Liebhaberinnen von Schlössern und Burgen kommen dort voll auf ihre Kosten.
Von Irene Lustenberger
In Reih und Glied stehen die Busse am Hafen von Invergordon, Schottland, und warten auf die Passagiere des Kreuzfahrtschiffs. Patricia begrüsst die Ankömmlinge in fast akzentfreiem Deutsch.
Sie kommt aus der Gegend, hat aber fast 20 Jahre lang in der Schweiz gelebt und gearbeitet. Inzwischen ist sie pensioniert und zeigt den Touristen ihre Heimat. Patricia trägt die typische schottische Kleidung aus Tweed und beantwortet gleich zu Beginn der Tour die Frage, die wohl alle Schottland-Reisenden beschäftigt: «Ja, es stimmt. Die Männer tragen nichts unter ihrem Kilt.»
Auf der Fahrt zum Loch Ness erklärt Patricia, dass im Land 5,4 Millionen Einwohner, 8 Millionen Schafe und 1,8 Millionen Kühe leben. Auch klärt sie über die Temperaturen auf: 8 bis 15 Grad im Herbst, 6 Grad im Winter, 8 bis 13 Grad im Frühling und 12 bis 18 Grad im Sommer.
«Und wenn die Temperatur im Sommer auf 24 bis 25 Grad steigt, müssen wir wegen Hitzschlag zum Arzt», sagt sie lachend.
Nach rund einer Stunde Fahrt kommt die Reisegruppe beim Loch Ness – «Loch» heisst auf Gälisch See – an. Im 37 Kilometer langen und 230 Meter tiefen See, der der wasserreichste See von ganz Grossbritannien ist, soll der Legende nach ein Ungeheuer, das «Nessie», leben. Wie Patricia erzählt, wurde es im Jahr 565 erstmals erwähnt, als es einen Mann angegriffen haben soll. In den vergangenen Jahrhunderten soll der Plesiosaurier noch weitere Male gesichtet worden sein, unter anderem 1933, als er einem Ehepaar, das auf der Strasse fuhr, den Weg versperrte.
Bis heute gibt es zahlreiche Berichte über Sichtungen; und die Frage, ob es Nessie wirklich gibt, macht das Loch Ness zu einem beliebten Touristenziel.
Am Ufer des Sees trohnt die Rui-ne des Urquhart Castle. Es wurde im 13. Jahrhundert erbaut und zählte in seiner Blütezeit zu den grössten schottischen Burgen, es wird jedoch seit 1545 nicht mehr als Verteidigungsanlage genutzt.
Der Bergfried wurde renoviert und zu einem Wohngebäude umgestaltet. «Ab 1600 war Urquhart Castle verlassen, wurde daraufhin systematisch geplündert und verfiel immer mehr. Sogar Steine und Dächer wurden für den Bau von Häusern abgetragen», weiss die Reiseleiterin.
Nachdem die Gruppe die Burg ausführlich erkundet hat, fährt der Bus dem Loch Ness entlang nach Inverness, der Hauptstadt des schottischen Hochlandes, und weiter zum Cawdor Castle mit seinen elegant eingerichteten Zimmern. Das Schloss ist seit 600 Jahren in Familienbesitz und wird heute von der verwitweten Herzogin Angelika Cawdor bewohnt.
Der Legende nach ist die Burg um eine Stechpalme herum gebaut, die Besucher noch immer im Kerker des Wehrturms sehen können. Umgeben ist die Festung von drei bunten Gärten mit Kräutern, Blumen und einem Labyrinth. Von Frühling bis Herbst laden die Gärten zum Entspannen und Spazierengehen ein.
Mit vielen Eindrücken geht es zurück zum Schiff. Am Hafen steht ein Dudelsackspieler, der die Reisenden musikalisch verabschiedet. Noch lange hallen nicht nur die Dudelsackklänge, sondern auch Patricias Worte im Ohr: «Die Schotten tragen nichts unter ihrem Kilt, wirklich gar rein nichts!»