Michael Rauchenstein
«Westschweizer sind entspannter»
Die «Tagesschau» überwindet den Röstigraben. Am 22. November tauschen die Moderatoren in der Deutsch- und Westschweiz den Job und werden für einen Abend nicht in ihrer Muttersprache vor der Kamera moderieren. Der GlücksPost beantworten die beiden dieselben Fragen – und zeigen auf, inwiefern die zwei Sprachregionen anders ticken.
Von Remo Bernet
GlücksPost: Wo spüren Sie den Röstigraben?
Michael Rauchenstein: Bei der Pünktlichkeit. Wir aus der Deutschschweiz sind wohl die pünktlichsten Menschen weltweit. Auch verplant niemand die Wochenenden über Monate hinaus so wie wir. Ich bin leider ebenfalls so. Da sind die Westschweizerinnen und Westschweizer, so wie ich das bei meinen Freunden aus Lausanne und Neuchâtel miterlebe, um einiges entspannter.
Welche kulturellen Eigenheiten der Romandie finden Sie besonders sympathisch?
Das Lebensgefühl des «savoir vivre» gehört für mich zu den wichtigsten Eigenschaften der Westschweiz. Und das Zelebrieren der Weinkultur.
Was können die Deutschschweizer besser als die Romands?
Die Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer sind wohl besser organisiert als die Romands. Ob wir auch disziplinierter sind?
Worin sind sie schlechter?
Im «einfach mal öppis si la». Das können die Romands aus meiner Sicht definitiv besser.
Zürcher Geschnetzeltes oder Käsefondue?
Käsefondue. Eigentlich könnte ich fast jeden Tag ab Herbst ein Fondue essen – rezent, mit feinen Beilagen. Während meiner Zeit in Brüssel habe ich oft ausländische Freunde eingeladen und sie in die Kultur des Fondue-Essens eingeführt. Denn: Fondue selber machen und vor allem richtig essen muss gelernt sein.
Wie sieht für Sie der perfekte Sonntag aus?
Ein klassischer Start mit selbstgemachtem Zopf sowie feiner Konfi (am besten auch selbstgemacht) und Honig. Ein ausgedehnter Spaziergang mit Marroni und am Abend ein feines Zacht. Auch mein Abendprogramm ist, glaube ich, typisch für die Deutschschweiz. Im linearen Fernsehen die «Tagesschau» schauen, anschliessend den «Tatort» und «Late Night Switzerland». Früher gehörte dann auch «Anne Will» noch dazu. Wenn ich nicht selbst im Studio bin, versuche ich, mein Programm so durchzuziehen.
Was bedeutet Ihnen Heimat?
Meine persönliche Heimat verbinde ich gerne mit Gerüchen: frisches Heu, der Duft von Baumharz in den Bergen oder einem feinen Käsefondue in einer Berghütte. So weiss ich, dass ich zu Hause bin.
Was muss man in Ihrer Heimat unbedingt besuchen?
Im Kanton Schwyz muss man natürlich Lachen besuchen. Nirgends ist der Sonnenuntergang am Zürichsee so schön wie bei uns. Zudem lohnt es sich, im Sommer früh aufzustehen und eine Nachtwanderung auf den grossen Mythen zu machen, um auf der Spitze des Berges den Sonnenaufgang zu bestaunen.
Was vermissen Sie an der Schweiz, wenn Sie im Ausland unterwegs sind?
Wo soll ich anfangen? Unsere Natur, mit den Bergen, Seen und Flüssen ist für mich einmalig. Wir haben alles in nächster Umgebung. Gerade kürzlich war ich im Unterengadin wandern. Einfach traumhaft. Gerade im Herbst. Auch die Qualität des Essens muss man im Ausland zuerst suchen. Die regionalen Produkte in der Schweiz sind schon sehr fein und qualitativ hochstehend.
Wie schwer fiel es Ihnen, in der Schule Französisch zu lernen?
Gar nicht. Ich gehörte zu jenen Schülern, die Französisch in der Schule immer gerne hatten. Mein Papa hat mal in Paris gelebt, meine Schwester war für ein Jahr in der Westschweiz. Es ging gar nicht anders, als Französisch gern zu haben. Zudem hatte ich stets tolle Lehrerinnen, die mir die Liebe zur Sprache super vermitteln konnten.
Was ist Ihr Lieblings-Chanson?
Da gibt es einige. Wenn Edith Piaf draufsteht, kann es meistens nur gut sein. Oder Céline Dion auf dem Eiffelturm an den Olympischen Sommerspielen in Paris. Ich war zu Tränen gerührt. Auch «Champs-Elysées», gesungen von Zaz, gefällt mir gut.
Was ist Ihre Lieblingssendung im Westschweizer Fernsehen?
Wenn ich RTS schaue, dann meistens – überraschend – «19h30» – also die «Tagesschau». Es ist oft spannend zu sehen, was für eine Themensetzung die Kolleginnen und Kollegen von RTS machen. Gerne schaue ich mir auch fiktionale Serien von RTS wie beispielsweise «Hors Saison» oder «Quartier des Banques» an.