Wenn die Eltern Hilfe brauchen

Zuerst witzelt man vielleicht noch darüber, dass Vater und Mutter etwas schusselig geworden sind. Aber irgendwann müssen sich erwachsene Kinder eingestehen: 
Die Eltern sind alt geworden und auf ihre Hilfe angewiesen.
 
Das Geschirr vom Morgen ist noch nicht abgewaschen, die Kleidung sitzt nicht so perfekt, wie das sonst immer der Fall war, die Einkaufstasche in den dritten Stock tragen fällt schwer, Telefonate werden vergessen. Es sind oft Kleinigkeiten, die darauf hinweisen, dass die ­Eltern sich verändert haben, dass sie alt geworden sind.
 
Wenn Eltern im Alter gebrechlich und vielleicht auch etwas seltsam werden, sind sie auf Unterstützung angewiesen. Das ist für viele erwachsene Kinder eine Belastung. Zum einen wegen des zeitlichen Engagements – die meisten haben eigene Familien und sind auch beruflich absorbiert. Und zum anderen sind da Ängste, die das Altern der Eltern in dem Kind auslöst, das in einem schlummert: Es will nicht wahrhaben, dass sie sich verändern. Dazu gesellt sich meist noch das schlechte Gewissen, dass man sich zu wenig kümmert. Es ist oft gekoppelt mit ungelösten Familienkonflikten.
 
Da ist zum Beispiel die Tochter, die von ihrem Vater nie richtig gesehen wurde und sich nun um ihn kümmern soll. Oder der Sohn, der die Enge, die im Elternhaus geherrscht hat, nicht mehr ausgehalten hat und weit weggezogen ist. Und plötzlich ist er wieder mit den Eltern und damit mit seiner Vergangenheit konfrontiert.
 
Sich zum Helfen verpflichtet fühlen, der Rollentausch (Kinder müssen für die Eltern Entscheidungen fällen, früher war es umgekehrt), die Schuldgefühle, wenn die Eltern ins Heim ziehen, Geschwisterrivalität – das sind die grössten Herausforderungen, vor denen man steht, wenn die ­Eltern Unterstützung brauchen. Was dann hilft, ist Respekt, Toleranz und verzeihen können – den Eltern und sich selbst. Nur so entwickelt sich ein besseres Miteinander von erwachsenen Kindern und betagten Eltern.
 
Tipps für den Umgang 
mit betagten Eltern
 
Das gilt es zu akzeptieren: 
Geschwister haben unterschiedliche Beziehungen zu den Eltern. 
Je nachdem wie intensiv sie ist, bestimmt dies das Engagement in der Pflege.

  • Die Eltern auf das Altern und die damit verbundenen Veränderungen anzusprechen, braucht Fingerspitzengefühl. Nutzen Sie die Gelegenheit, wenn die Eltern von der Nachbarin erzählen, die ins Heim zieht oder von einem Bekannten, der den Führerausweis abgegeben hat. Bringen Sie über solche Erzählungen das Gespräch auf die Situation der Eltern.
  • Patientenverfügung, Testament, Wünsche für die Beerdigung – das sind Tabuthemen. Machen Sie Ihre eigene Patientenverfügung und das Testament und sprechen dann mit den Eltern darüber. Das ist die Gelegenheit, sie zu bitten, es auch zu tun.
  • Brauchen die Eltern Hilfe, machen Sie sich klar, ob und wie viel Sie anbieten können. Haben Sie Geschwister, sprechen Sie im Familien­bund offen über das jeweilige Engagement.
  • Eltern können im Alter zwar zu Kindern werden, trotzdem sollten Sie sie nicht so behandeln. Seien Sie respektvoll im Umgang mit ihnen, und beteiligen Sie sie, so lange es geht, an den Entscheidungen, die sie betreffen.
  • Alte Menschen leiden oft unter einem schlechten Selbstbild. Verstärken Sie dies nicht, indem Sie die Eltern herumkommandieren oder Dinge ungefragt für sie erledigen, damit es schneller geht. Betonen Sie das, was die Eltern noch können, und bauen Sie auf. Das ist nicht einfach und erfordert viel Geduld. Wenn Sie die einmal nicht haben, sagen Sie das den Eltern, und ziehen Sie sich zurück, bis es wieder geht. Überhaupt führt es zu gegenseitigem Frust, wenn Sie die Eltern über Ihren wahren Gefühlszustand hinwegtäuschen. Sind Sie zum Beispiel ärgerlich über die Vergesslichkeit der Mutter, dann sagen Sie ihr das, statt den Ärger zu vertuschen.
  • Scheuen Sie sich nicht, Hilfe anzunehmen. Anlaufstellen sind Pro Senectute, Wohnen im Alter, Pflegeorganisationen wie etwa Spitex, Memorykliniken und die Beratungsstelle Leben im Alter (Zentrum Gerontologie, Univer­sitätsspital Zürich).