Mit Zauber verpackte Geschichten

Nach seiner magischen Saison beim Zirkus Knie hat der Zauberkomiker, bekannt als Erwin aus der Schweiz, sein neues Soloprogramm gestartet. Viel Unterstützung erhält der Zürcher von Tochter Suvi, denn sie ist Erwins grösster Fan.

Von Aurelia Robles

Der grösste Fan von Erwin aus der Schweiz lebt mit ihm unter einem Dach. «Wann darf ich Erwin sein?», fragt Suvi (5) ihren Papi Marc Haller (37) immer wieder. Der Zauberkomiker ist die Person, die hinter der Bühnenfigur steckt. «Jetzt dann gleich.» Auf dem Boden des Zuhauses im Säuliamt liegen die Mini-­Erwin-Kleider bereit. Geschneidert wurden sie einst für Maycol Knie jun. (7), als Haller vergangenes Jahr mit dem Zirkus Knie durch die Schweiz tourte und auch mit dem jüngsten Spross der Zirkus-Dynastie auftrat. Nun ist Tochter Suvi überglückliche Erbin des Kostüms. 

Mindestens 35 Mal hat Suvi in Begleitung von Mama Denise (44) während des Engagements ihres Papas die Show gesehen. «Sie hat die Tänzerinnen so bewundert und liebte es, im Wohnwagen zu sein – es war für Suvi wie Disneyland», sagt Marc Haller. «Und mich als Papi, der oft unterwegs ist, macht es stolz, dass ich meiner Tochter diese Erfahrung und Erinnerung geben konnte.» Aber auch für ihn bleibt die intensive Erfahrung in schöner Erinnerung. «Im Nachhinein merke ich, dass es eine mega Schule für mich war. Ich hatte täglich bis zu drei Vorstellungen vor je 2000 Leuten, die ich immer wieder neu abholen musste. Das hat mich getrimmt», sagt er. «Und ich habe weniger Lampenfieber, mehr Energie, und nichts kann mich so schnell aus der Ruhe bringen.» 

Nun ist Marc Haller als Erwin aus der Schweiz erneut unterwegs – doch dieses Mal alleine. Mit «Symphonie des Lebens» hat er soeben seine neue Solotournee gestartet. Beim Programm führt der Komiker Michel Gammenthaler (52) Co-Regie. Vom Zauberkünstler hatte Haller einst ein Poster im Zimmer hängen. «Michel ermutigt mich. Es ist schön, dass man mit dem eigenen Vorbild jetzt befreundet ist.»

Vom Zirkuszelt geht es nun zurück ins Kleintheater. «Ich freue mich sehr, auch wenn ich die Grösse bei Knie toll fand und diesen Traum von meiner Bucketlist streichen kann», sagt er. «Aber ich will wieder zurück zu meinen Anfängen, die im Kleintheater liegen. Sie sind für mich Schweizer Kulturgut, dafür schlägt mein Herz.»

Zurück zu den Wurzeln

An seine Anfänge und an den Moment, in dem ihn die Magie gepackt hat, kann sich Marc Haller gut erinnern. Mit 14 Jahren sieht er, der noch zwei «unmagische» Drillingsbrüder hat, bei einem Familienfest den Mentalmagier Pat Perry. «Er hat Geschichten erzählt, nicht nur gezaubert. Viele Magier schauen erhaben aufs Publikum herab. Das tat er nicht. Da wusste ich: Das ist es!» Bis zu diesem Zeitpunkt wusste Haller nämlich nur, was nichts für ihn ist: «Schule und Büro.» 

Mit 16 fängt Marc Haller die Zauberschule in Zürich an, besucht Ausbildungen an der Scuola Teatro Dimitri, bevor er ins Schauspiel übersiedelt. In New York besucht der Zürcher die Lee-Strasberg-Schule und schliesst in Wien das Konservatorium im Fach Schauspiel ab. Als Comedy-Zauberer beginnt er mit dem verklemmten und schrulligen Erwin aus der Schweiz dann beide Passionen zu kombinieren. «Spannend ist, dass viele das Gefühl haben, dass Erwin nichts kann und er dann überrascht.» Und eigentlich sei er selber der grössere Tollpatsch als seine Figur. «Ich bin der schusseligste Mensch überhaupt. Aber als Erwin passiert mir so gut wie nie was, egal, wie viele Kabel am Boden liegen.» Als Marc sei er zudem auch nicht lustig, wolle weder im Rampenlicht stehen, noch die Leute unterhalten. «Aber sobald ich mich umziehe, während einer halben Stunde mich in Erwin verwandle, geht es.»

2012 kam Marc Haller in der ORF-TV-Show «Die Grosse Comedy Chance 2012» ins Finale und nahm 2015 bei «Die grössten Schweizer Talente» teil. «Mein Ding ist es, Geschichten zu erzählen, die auch zum Nachdenken anregen», sagt er. «Ich bin kein Stand-up-­Comedian und habe mich nie mit wahnsinnig neuen Tricks abgehoben, sondern nehme alte und abgestaubte und versuche, neue ­Storys rundherum zu finden.» Inspiration für diese findet er auf der Reise zu sich selbst. «Alle vergleichen sich ständig mit anderen. Da musste ich lernen, wieder auf mich zu hören und das zu tun, was mir Freude macht. Mein neues Programm ist ein Geschenk an mich selbst.» 

Was wäre, wenn …?

In «Symphonie des Lebens» widmet sich Marc Haller beziehungsweise seine Figur der Frage «Was wäre, wenn …?», sprich: dem Schmetterlingseffekt. «Die Symphonie des Lebens ist die Me­lodie, die man heute noch hört, wenn man sich fragt: Was wäre passiert, wenn ich nur eine Minute früher aus dem Haus gegangen wäre und den Bus noch erwischt hätte?», erklärt Haller. «Das Leben jeder Person ist durch solche Zufälle geprägt. Es sind Momente, die man nicht in eine Schublade stecken kann, die aber trotzdem alles verändern.» 

Wenn er nicht Zauberkomiker geworden wäre, dann wohl Pilot, meint Marc Haller, der Helikopter fliegt. «Mein Traum war immer zu fliegen, weil es Freiheit bedeutet. Und Erwin ist ein Träumer. Ich persönlich wurde als Kind ausgelacht, weil ich gross geträumt habe.» Und obwohl er bereits auf einige Erfolge zurückblicken kann, bestehe keine Gefahr abzuheben. «Meine Frau würde mich auf den Boden zurückholen oder das Publikum selbst. Deshalb brauche ich als Marc einen Heli.» 

«So, jetzt sind wir Erwin!» Endlich kann Suvi ganz in Papas Rolle schlüpfen. Gekonnt posiert sie für die Kamera und fällt keine Sekunde aus ihrer Rolle. «Wir forcieren nichts», sagt Marc Haller. «Der Wunsch, Künstlerin zu werden, muss von ihr kommen. Generell wäre es aber Zeit, dass auch Frauen mehr zaubern und nicht bloss ­neben Magiern verzaubern.»