«Ich liebe einen katholischen Pfarrer»
Gegen ihre Gefühle konnte sie sich nicht wehren. Doch Sabine ahnte nicht, was für Konsequenzen diese Liebe haben würde.
Von Andrea Micus
Ich wusste nicht, dass es so belastend ist, ein Doppelleben zu führen», sagt Sabine (48) und zieht schnell die Rollos im Wohnzimmer des Pfarrhauses zu. «Seitdem Frank und ich zusammen sind, beherrschen Verstecken, Lügen und Ausreden meinen Alltag.»
Frank ist katholischer Pfarrer in einer deutschen Gemeinde, ein Geistlicher, der ans Zölibat gebunden ist, damit versprochen hat, ehelos und sexuell enthaltsam zu leben. Sabine ist seine Geliebte. Wenn jemand aus der Kirchenleitung dahinterkommt, wird er sich entscheiden müssen: Amt oder Liebe. So weit wollen es beide nicht kommen lassen. «Wir müssen vorsichtig sein,
immer», seufzt Sabine.
Ihre Liebe beginnt vor drei Jahren. Frank ist damals neu in die 6000-Seelen-Gemeinde gekommen und stellt sich in einem Gottesdienst vor. In einer der ersten Reihen sitzt die Krankenschwester Sabine. «Als er in einem weissen Ornat die Kirche betrat, war ich hin und weg. Er gefiel mir einfach als Mann.»
Sabine ist überzeugte Christin, treue Kirchgängerin und in vielen Ehrenämtern aktiv. Sie weiss natürlich vom Zölibat, aber das hindert sie nicht. «Er ist für mich nur ein überholtes Regelwerk der katholischen Kirche. Gott ist nicht gegen die Liebe, und deshalb hatte ich auch kein schlechtes Gewissen.»
Sie möchte diesen Mann näher kennenlernen, zumal sie gefühlsmässig ausgehungert ist. Mit ihrem 20 Jahre älteren Mann verbinden sie zwar zwei halbwüchsige Kinder, ansonsten nur noch Routine und Alltag.
Mutig wagt sie den ersten Schritt und fragt via E-Mail nach einem Interview für das Gemeindeblatt, für das sie schreibt. Was sie nicht ahnt: Frank ist die hübsche Blondine in seinem Gottesdienst sofort aufgefallen, und er ist einsam, sehnt sich nach Zweisamkeit. Sie treffen sich zum Interview im Pfarrhaus, und die Gefühle schlagen ein wie der Blitz. Beide sind sofort bereit, ein Leben im Schatten zu führen, vollgepackt mit Heimlichkeiten und Lügen. Wenn Sabine Frank besucht, schleicht sie im Schutz der Dunkelheit ins Pfarrhaus, ihrem Mann und der Familie erzählt sie von ausgedachten Freundinnen.
Erst ein Jahr später beendet sie die Ehe und zieht zu ihren Eltern. Die Kinder sind von nun an jedes zweite Wochenende beim Vater. Zeit, die Sabine jetzt für Frank hat. Plötzlich gibt es zu den gestohlenen Stunden während der Woche so etwas wie Normalität am Wochenende. Gemeinsame Einkäufe im Supermarkt, abends Pizzaessen im Lokal. Aber natürlich nicht in der Gemeinde, sondern in der nächsten Kreisstadt. Sie reden immer wieder und fühlen sich wie in einem Hamsterrad, das sich immer schneller dreht, aber keinen Ausweg weist. Der Druck stresst, macht sie müde, aber auch leichtsinniger. Es passieren Fehler. «Manchmal legt Frank beim Spazierengehen ganz in Gedanken die Hand um meine Hüfte.» Manchmal ist es ihm egal, zumal alle wissen, dass heimlich geführte Partnerschaften im Bistum toleriert werden.
Ein Leben ausserhalb der Kirche kann sich Frank nicht vorstellen. «Ich bekomme nirgends mehr beruflichen Anschluss. Ausserdem liebe ich meinen Beruf.» Und Sabine? «Mich trägt die Liebe, noch!» Denn eines weiss sie genau. Dauerhaft kann sie so nicht leben.