Diana Fankhauser
«Wenn ich schwinge, bin ich ganz anders»
Ihr traute keiner zu, es weit zu bringen: Jetzt ist die Bernerin, die im Waadtland lebt, bereits zweifache Schwingerkönigin. Und sie hat längst nicht genug, kämpft nun um den Titel 2023.
Als die GlücksPost kurz nach dem Mittag auf den Hof von Diana Fankhausers Eltern fährt, wartet drinnen bereits ein Fondue. Moitié-Moitié, wie es im Waadtland gerne gegessen wird. Die heimelige Stube des Bauernhauses in der Nähe von Lausanne hält die Kälte draussen. Vater Martin (51) tischt auf und mahnt zur Eile beim Rühren. Die 26-jährige Schwingerkönigin von 2018 und 2022 sitzt am Kopf des Tisches. Sie wirkt anfangs etwas schüchtern, doch das legt sich schnell und die offenherzige, lebenslustige Seite der medizinischen Praxisassistentin kommt zum Vorschein. Man kann sich die 1,60 Meter grosse, feingliedrige Diana nur schwer im Sägemehl vorstellen. Das war auch so, als sie beschloss, mit 16 Jahren aktive Schwingerin zu werden: «Keiner dachte, dass ich es weit bringen würde. Mein Handicap ist zudem, dass ich eher die bin, die hilft und sozial denkt. Ich muss das Selbstvertrauen für den Kampf innerlich aufbauen. An einem Wettbewerb bin ich in meinem Film, höre ständig Musik und kann kaum mit anderen sprechen.» Es sei kräftezehrend, diesen Zustand aufrechtzuerhalten. «Ich bin wie zwei Personen: Die Diana, die schwingt, verhält sich sehr selbstbewusst, das muss sein. Ausserhalb des Sports bin ich ganz anders. Mentalarbeit ist sehr anstrengend, diese Saison war ich gegen Ende selbst fast am Ende.»
Trotzdem ist diese Arbeit nötig, um die meist grösseren und körperlich kräftigeren Gegnerinnen auf den Rücken zu legen. Sich in Kampfstimmung zu bringen, hat ihr als Mentalcoach die Schweizer Snowboard-Olympiasiegerin Tanja Frieden (46) beigebracht: «Sie war die Einzige, die vor dem Eidgenössischen 2018 an mich glaubte», erzählt Diana ernst. «Sie merkte, dass ich kein richtiges Ziel hatte, und meinte: ‹Wenn du Gänseblümchen zupfen willst, ist das okay. Aber wenn du vorwärtskommen willst, musst du mehr an dich denken.›» Eben, die Sache mit dem Selbstbewusstsein.
Dianas Mutter Rosmarie (46) ist selbst ehemalige Schwingerin. Ebenso die Tanten Eveline und Margrit – beide zweifache Schwingerköniginnen. Ruth, Dianas Tante zweiten Grades, war die Erste in der Familie, die sich 1993 den goldenen Eichenlaubkranz aufsetzen lassen durfte. Nachdem sie als Sechsjährige mit ihrer Mutter und Tante erstmals in den Schwingkeller gehen durfte, war Diana ständig dabei, wenn die Grossen trainierten. Ihr erstes Schwingfest bestritt sie dann mit acht Jahren. «Ich habe mich für das Schwingen entschieden, weil es mir einfach Spass macht, nicht etwa, weil es eine Familientradition ist», betont sie. Zudem habe ihre Mutter stets darauf bestanden, dass man etwas, das man anfängt, auch durchzieht.
Dennoch ist es heute Rosmarie, die ihre Tochter fragt: «Wofür, Diana, machst du das immer noch? Seit 20 Jahren lebst du für den Sport, kannst keine Beziehung oder Familie haben. Bei anderen Sportlern kommt wenigstens irgendwann eine Belohnung, aber hier nicht.» Im Vergleich zu den männlichen Schwingern, die sich mit Sponsoren ein sehr gutes Zubrot verdienen können, musste Diana nach ihrem ersten Königinnentitel selbst potenzielle Unterstützer anfragen und erhielt teilweise nicht einmal Antwort. Dieses Jahr hat sie Adelbodner Mineral ins Boot holen können. Lebendpreise erhalten Schwingerköniginnen ebenfalls: «Bei uns ist es dann halt ein Kälbchen, während die Männer einen Muni erhalten, der fünfmal so viel Wert ist.» Beim Schweizer Traditionssport liegt der Fokus immer noch auf den Männern. Das stört Diana allerdings nicht, ihre Freude am Schwingen und die Anerkennung ihrer Leistungen sind ihr Lohn genug.
Im Frauenschwingen steht bereits 2023 das nächste Eidgenössische an. Es findet jedes Jahr statt, und den Königinnentitel gewinnt nicht zwangsläufig die Siegerin am Eidgenössischen, sondern die Schwingerin, die über die Saison hinweg am meisten Punkte sammelt. Rosmarie begleitet Diana nicht an jeden Wettkampf: «Ich bin zu nervös und Diana sowieso in ihrem ‹Tunnel›.» Zudem nagt immer noch ein Ereignis an ihr vom letzten Schwingfest der Saison 2022: Rosmarie sass ganz vorne am Ring und sah, wie Diana es in ihrem letzten Gang mit einem «Klotz» von einer Gegnerin zu tun hatte. Sie rief ihrer Tochter zu: «Diana, so schaffst du es nicht.» Der Gang endete gestellt, aber Diana sagte ihrer Mutter danach ziemlich verärgert, sie solle das nie wieder tun. «Sie hätte mich anfeuern sollen! Je mehr Zuschauende dies tun, desto besser schwinge ich.»
Umso stolzer sind die Eltern heute auf ihre Tochter. Rosmarie sagt: «Diana reifte durch diese Karriere. Es glaubte niemand an sie, nicht einmal sie selbst. Alle waren baff, als sie 2018 zur Königin gekrönt wurde.» Nur eine nicht: Tanja Frieden.