Angst oft unbegründet
Wer am Hals Knoten ertastet, fürchtet im ersten Moment meist eine Krebserkrankung. Dabei sind Knoten an der Schilddrüse häufig und sehr oft harmlos. Dennoch raten Spezialisten zur Abklärung.
Von Ines Rütten
Ein Engegefühl im Hals, ständige Heiserkeit, Unruhe, übermässiges Schwitzen und weitere Symptome können entstehen, wenn an der Schilddrüse Knoten wachsen. Das Organ hat die Form eines Schmetterlings und liegt unterhalb des Kehlkopfs vorne im Hals. Sie ist eine lebenswichtige Hormondrüse, die eine grosse Rolle für den Stoffwechsel spielt. Aber: «Jeder dritte Schweizer hat Knoten an der Schilddrüse, die er häufig nicht bemerkt», sagt Claudio A. Redaelli. Er ist Professor für Viszeralchirurgie und Chairman des Schilddrüsenzentrums Hirslanden in Zürich, wo er auch seine Praxis betreibt. «Die meisten Knoten wachsen langsam und sind harmlos.» Dennoch sollten sie abgeklärt werden, wenn sie stören, Symptome machen oder Angst auslösen. «Das ist ein genauso wichtiger Faktor für weitere Untersuchungen», sagt Redaelli.
Denn wachsende Knoten lösen eben häufig Angst vor einer Krebserkrankung aus. Schilddrüsenkrebs ist jedoch selten und in den meisten Fällen heilbar. Lediglich ein Prozent aller Knoten sind bösartig, die Mehrzahl ist harmlos und ohne Symptome. Redaelli empfiehlt dennoch, die Funktion der Schilddrüse ab einem Alter von 40 Jahren regelmässig überprüfen zu lassen. Per Bluttest können die Ärzte die Schilddrüsenhormone messen und eine mögliche Über- oder Unterfunktion des Organs erkennen.
Die Hauptursache für die häufige Knotenbildung sehen Experten vor allem im Jodmangel. «Jod ist der Treibstoff der Schilddrüse», sagt Redaelli. Bekommt das Organ zu wenig davon, vergrössert es sich, um die nötige Hormonproduktion aufrechtzuhalten – ein sogenannter Kropf entsteht. Durch die Anreicherung des Speisesalzes mit Jod ist dieses Krankheitsbild in der Schweiz stark zurückgegangen. Doch auch genetische Veranlagung, Stress, eine ungesunde Lebensweise, Entzündungen und zunehmend auch Autoimmunkrankheiten können die Knotenbildung an der Schilddrüse auslösen.
Bei den Knoten unterscheiden die Fachleute zwischen «heissen» und «kalten» Formen. Heisse Knoten sind aktiv in der Hormonproduktion und können zu einer Überfunktion des Organs führen. Diese verursacht vielfältige Symptome. Kalte Knoten produzieren keine Hormone und machen häufig keine Beschwerden, wenn sie nicht zu gross werden. Denn ab einer gewissen Grösse können sie umliegendes Gewebe verdrängen, auf die Luftröhre drücken oder Schmerzen an den Nerven auslösen.
Schilddrüsenknoten, die Probleme bereiten, können sehr gut behandelt werden: Mit Medikamenten, einer Operation oder per Thermoablation, einer neuartigen Methode, die vor fünf Jahren im Schilddrüsenzentrum Hirslanden erstmals in der Schweiz angewendet wurde. Dabei wird unter Ultraschallkontrolle eine spezielle Sonde in den Knoten eingeführt. Durch die Erhitzung der Sonde, wird der Knoten gezielt zerstört. Die Methode hat den Vorteil, dass keine Vollnarkose nötig ist und am Hals lediglich ein Einstich entsteht. «Bis zu der Grösse einer Mandarine können wir Knoten so behandeln», sagt Redaelli.
Allerdings kann man dieses Verfahren nur anwenden, wenn ausgeschlossen ist, dass der Knoten bösartig ist. Ansonsten müssen diese per Operation entfernt werden, um das Gewebe anschliessend untersuchen zu können. Sollte sich herausstellen, dass es sich bei den Knoten um Krebs handelt, kann eine entsprechende Behandlung erfolgen. Eine vergrösserte Schilddrüse, die etwa bei einer Autoimmunerkrankung entsteht, kann mit Hilfe von radioaktivem Jod verkleinert oder per Operation ganz entfernt werden. Am Schilddrüsenzentrum Hirslanden beurteilen mehrere Ärztinnen und Ärzte aus neun unterschiedlichen Disziplinen vor jeder Behandlung, welche Methode am besten geeignet ist, um für den Patienten oder die Patientin den besten Behandlungspfad zu finden.