DJ Ötzi
«Es war schwierig, aber befreiend»
In seinem Leben musste der österreichische Gute-Laune-Musiker Schreckliches durchstehen. Das hat er nun in einem Buch aufgearbeitet – und er singt sogar davon.
«Es ist so persönlich wie nie!» Ein Satz, den fast jeder Künstler über sein aktuelles Album sagt. Aber: Bei DJ Ötzi alias Gerry Friedle (50) stimmt er! Partymusik erwartet man vom Österreicher. Und die liefert er auf «Sei du selbst». Dazu aber auch tiefsinnige Texte: über die schwierige Beziehung zum Vater etwa oder aufbauende Lieder für Menschen, die dunkle Phasen durchmachen – wie er so oft in seinem Leben. Darüber schreibt er wiederum in seiner Biographie «Lebensgefühl», die am 19. Oktober erscheint.
GlücksPost: Das Album erscheint in diesen Tagen. Löst das nach 20 Jahren erfolgreicher Karriere noch Nervosität aus?
DJ Ötzi: Ja. Ich mag das Gefühl zwar nicht, aber es gehört leider zu mir. Wobei es das zum Erfolg auch braucht, man bleibt dadurch konzentriert. Eine gewisse Angst ist also nicht nur schlecht, sondern auch ein Antrieb.
Was sind Ihre Erwartungen an sich selbst?
Wenn du Erwartungen hast, wirst du nur enttäuscht. Es ist wie beim Roulette: Du setzt auf Rot, und vielleicht fällt die Kugel dort hin oder aber nicht. Ich bin jedoch kein Spieler. Ich bereite mich vor. Wenn du das tust, alles gibst, dann kann es sein, dass du Glück haben darfst. Ich lasse mich überraschen.
Sie gewähren sehr tiefe Einblicke in Ihre Seele. Wie schwierig war das für Sie?
Es war kräftezehrend, aber auch befreiend. Beim Lied «Nach all den Jahren» zum Beispiel war es sehr schwierig – weil ich mich öffne und der ganzen Welt zeige. Es hat mir fast das Herz zerrissen, es auf der anderen Seite aber auch im Positiven berührt. Das Lied ist eine Versöhnung mit meinem Vater. Ich danke ihm trotz allem, was passiert ist, dass ich da sein darf.
Gerry Friedle kam als Produkt – so schreibt er es in seiner Biographie – eines One-Night-Stands zur Welt. Seine Mutter war ein 17-jähriges Zimmermädchen, das mit der Geburt des Jungen überfordert war. Sein Vater erfuhr erst nach zwei Jahren von ihm. Und brachte ihn wenig später von der Pflegefamilie, wo er so viel Liebe erfahren hatte, zu seinen Eltern. Diese brachten ihm wenig Zuneigung entgegen. Gerrys Grossvater war ein harter, liebloser Mann, die Grossmutter brauchte ihn vor allem, um als «die Aufopferungsvolle» ihr Image im Dorf aufzupolieren. Sein Vater interessierte sich nicht für Gerry – bis dieser zu DJ Ötzi wurde. Und versuchte dann, aus ihm Kapital zu schlagen.
Erstaunlich, dass Sie sowohl Ihren Grosseltern als auch Ihrem Vater verziehen haben …
Ich spreche bewusst von Versöhnung. Verzeihen ist für mich nicht auf Augenhöhe – nach dem Motto: Ich bin so grossmütig und verzeihe dir. Nein, ich versöhne mich. Auch um die dunklen Bilder aus der Vergangenheit wieder bunt zu machen, ich will ja ein schönes Leben haben. Und all meine Erfahrungen haben mich ja auch stark gemacht.
Wen Sie im Buch kaum ansprechen, ist Ihre leibliche Mutter. Sie erwähnten aber zuvor einmal, dass Sie gerne Kontakt aufnehmen würden. Wie ist da der Stand?
Das gehört zu meinem nächsten Tun. Und ich freue mich darauf. Es ist aber etwas, das nicht reingepasst hätte – eine eigene Geschichte, die ich noch für mich behalten will.
Generell – man spürt es vor allem beim Lesen der Biographie – scheint es Ihnen wichtig zu sein, anderen etwas mit auf den Weg zu geben.
Es gibt einfach Dinge, die ich in meinem Leben gelernt habe, und die habe ich in das Buch und in meine Lieder verpackt. Wie die Aussage «Fang nie an, aufzuhören, dich zu lieben». Der wichtigste Mensch in deinem Leben, der kannst nur du selbst sein. Nur wenn du dich liebst und für dich da bist, kannst du andere lieben und für sie da sein. Mir ist es wichtig, auch solche Sachen weiterzugeben.
Im Song «Sei du selbst» singt er von einem Kind, das niemand mochte. Von sich selbst. Die Ablehnung spürte Gerry Friedle nicht nur im familiären Umfeld, sondern auch bei Gleichaltrigen. Er war der «elternlos Zugereiste» und damit der Aussenseiter. Zudem war er oft krank, litt unter anderem an Epilepsie und hatte etwa alle zwei Wochen Krampfanfälle. Das führte dazu, dass er als «der Irre» galt, ein Schwächling, der von den anderen Kindern im Dorf Hass und auch körperliche Gewalt erfuhr.
Sie singen von dem ungeliebten Jungen. Wie viel von diesem steckt heute noch in Ihnen?
Die Ablehnung – sie war das grundsätzliche Problem in meinem Leben. Aber ich habe es drehen können: Heute bin ich 50 Jahre alt, sehr bei mir, sehr in meiner Kraft. Ich hege keinen Groll diesen Leuten gegenüber. Aber das Thema ist nach wie vor wichtig: Viele Kinder erleben das heute noch, durch die sozialen Medien sogar verstärkt.
Ein richtiger Mutmach-Song.
Ja, DJ Ötzi macht Laune, Gerry macht Mut!
Ihm selbst hat in den vergangenen Jahren vor allem seine Ehefrau Sonja Mut gemacht. Sie ist – neben Tochter Lisa-Marie (21) – seine «seelische und reelle Heimat». Der Tag ihrer Hochzeit vor fast genau 20 Jahren – der 8. 8. 2001 – sei der glücklichste seines Lebens gewesen. Allerdings wurde ihm noch am selben Tag ein Burnout diagnostiziert, und statt auf romantische Hochzeitsreise ging’s nach dem Ja-Wort ins Krankenhaus und in Kur. Voller Geduld und Empathie habe Sonja ihn mit all seinen Problemen genommen, schreibt DJ Ötzi.
Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau, sagt man ja. Das scheint bei Ihnen zu passen.
Sonja steht nicht hinter mir, sondern neben mir. Sie ist ein ganz wertvoller, wunderbarer Mensch. Ich glaube nicht, dass es DJ Ötzi noch geben würde, wenn keine so tolle Frau an meiner Seite wäre. Ich bin sehr dankbar und froh, dass ich sie habe.
Ihre Gattin ist ja auch Teil Ihres Management-Teams. Muss Sonja Sie manchmal in Ihrem Tatendrang bremsen?
Joo net, i mag was tien! Bloss nicht, ich will was tun – wer rastet, der rostet. Ich habe ein Talent, das möchte ich weiter aufbauen und Dinge weitergeben. Dann macht das Leben auch Sinn. Man muss ihm einen Sinn geben und nicht nach dem Sinn suchen – Letzteres ist nämlich viel aufwendiger.
Was sind denn Ihre nächsten Ziele?
Erst einmal möchte ich mein neues Album und mein Buch den Leuten nahebringen. Aber ich habe schon viele weitere Ideen, mit denen ich mein Umfeld verrücktmache (lacht). Aber es macht echt Spass!