Fitness nur mit verhüllten Kilos
Dass Menschen wegen ihres Übergewichts gekränkt werden, ist Alltag. Speziell gemein ist, sogar im Fitnesscenter verunglimpft zu werden, wo man die Pfunde loswerden will.
Sie macht sich bereit für ihr erstes Mal im Fitnessstudio. Gerade als Shelby Rodriguez mit dem Workout beginnen will, kommt eine Angestellte und weist sie auf den Dresscode des Hauses hin: kein Training in Sport-BHs! Da Shelby es nicht besser wusste, erlaubt man ihr ausnahmsweise, trotzdem so zu trainieren.
Beim nächsten Mal trägt sie ein bauchfreies Oberteil, im Glauben, diesmal richtig gekleidet zu sein. Wieder kommt die Angestellte. Diesmal gibt es keine Diskussion, man stellt die Kanadierin vor die Tür. «Die Dame sagte zu mir wortwörtlich, dass ich meinen ‹Bauch nicht einfach so raushängen lassen› könne.» Dabei ist Shelby nicht einmal sehr übergewichtig. Trotzdem tun ihr die Worte weh. Zurück in ihrem Auto, kann sie die Tränen nicht zurückhalten. Shelby postet den Vorfall im Internet. «Ich wollte mich damit nicht über das Studio beklagen, sondern über die Art, wie sie mit mir umgegangen sind.» Sie verstehe, dass sie beim ersten Mal nicht richtig gehandelt habe, weil sie mit einem Sport-BH gegen den Dresscode verstossen habe. «Aber dass sie mich beim zweiten Mal vor allen Anwesenden aus dem Haus wiesen, war beschämend.»
Ein bisschen mehr Taktgefühl und Verständnis von den Angestellten wäre nicht zu viel verlangt, findet sie. «Ein Kommunikationstraining würde helfen, Menschen wie mich, die erst angefangen haben, ins Training zu gehen und noch unsicher sind, respektvoll zu behandeln.»
Die Meinungen zu Shelbys Erlebnis sind gespalten. Viele unterstützen die zweifache Mutter, andere finden, dass sie überreagiert habe. «Manche gingen so weit, dass sie sich über meine Tränen lustig machten.» Die gewohnten gemeinen Kommentare zu ihrem Übergewicht bleiben ebenfalls nicht aus.
Shelby glaubt, dass es für viele unangenehm ist, füllige Menschen zu sehen – besonders wenn diese knapp sitzende Kleider tragen. «Fat Shaming», was so viel heisst, wie sich über dicke Personen lustig machen, sei leider immer noch Alltag für Leute wie sie. «Darauf gibt es keine einfache Antwort. Aber man könnte doch einfach mal andere weniger danach beurteilen, was sie tragen.»
Sie ruft Leidensgenossinnen und -genossen auf: «Macht weiter, auch wenn euch etwas im Weg steht. Lasst einen kleinen Vorfall nicht zu einer grossen Last werden!» Shelby lebt es vor: «Ich gehe immer noch in dasselbe Fitnesszentrum. Ich gebe nicht auf!»