Adrien Rey-Bellet – Drama um den kleinen Kevin

Der Grossvater liegt im Sterben. Sein einziger Wunsch: Er möchte seinen innigst geliebten Enkel Kevin sehen, den Sohn seiner ermordeten Tochter Corinne Rey-Bellet. Doch jetzt gibt es ein Seilziehen um das Besuchsrecht. Chronologie eines Albtraums.

 

Adrien Rey-Bellet (75) liegt nach einer schweren Herzoperation im Spital. Es geht ihm sehr schlecht. Und zwar nicht nur wegen des Eingriffs. Grossvater Adrien möchte seinen Enkel Kevin (6) sehen. Das wird ihm verweigert. Adrien Rey-Bellet leidet. Der behandelnde Arzt: «Wenn Herr Rey-Bellet stirbt, dann stirbt er an gebrochenem Herzen.» Kevin sei das Einzige, was ihn noch am Leben erhalte. Eine Tragödie!

Was ist passiert? Seit Februar 2010 haben die Grosseltern, Adrien und Verena Rey-Bellet (65), ihren Enkel Kevin nicht mehr gesehen. Jetzt wurde von der Vormundschaftsbehörde beantragt, dass Kevin in Zukunft pro Monat drei Stunden zu seinen Grosseltern darf. Dies aber nur in Begleitung seines Pflegevaters. Früher waren das noch drei Tage pro Woche.

 

Das Todes-Drama: Was geschah damals?

Am 30. April 2006 erschiesst Corinnes Mann Gerold Stadler (†33) in der Küche des Hauses der Familie Rey-Bellet seine im dritten Monat schwangere Frau und deren Bruder Alain (†32). Seine Schwiegermutter Verena verletzt er mit fünf Schüssen schwer. Vater Adrien überlebt nur, weil er kurz den Raum verlassen hat. Der Mörder erschiesst sich drei Tage später mit seiner Offizierspistole.

 

Ski-Rennfahrerinnen leben gefährlich. Corinne Rey-Bellet wusste das. Und sagte einmal zu ihrer Mutter, ihr Wunsch sei es, falls ihr eines Tages etwas zustossen sollte, dass Kevin bei den Grosseltern aufwächst. Man fand einen Kompromiss. Und gab Kevin zu Pflegeeltern im Nachbardorf, zu einer Cousine von Corinne, damit der Bub mit Gleichaltrigen aufwachsen kann. Die Pflegefamilie hat zwei eigene Kinder. Jetzt aber soll Kevin seine Grosseltern plötzlich nicht mehr sehen?

 

Warum lief die Situation aus dem Ruder?

Kevin ist ein sehr lebhaftes Kind und schon jetzt eine kleine Persönlichkeit. Wenn er bei seinen Grosseltern war, wurde er verwöhnt. So wie halt Grosseltern Enkel verwöhnen, wenn sie auf Besuch sind. Kam der Sechsjährige von den Tagen mit den Grosseltern zurück zur Pflegefamilie, hatte er Mühe mit der Disziplin in deren Haushalt. Und leistete Widerstand. Zu viel für die Pflegeeltern, die mit ihren zwei eigenen Kindern schon genug Stress haben?

 

Für Dominique von Planta, Anwältin der Familie Rey-Bellet, ist diese Situation ein Albtraum. «Die vom Pflegevater für die Abklärung von Kevins Persönlichkeit beauftragte Psychologin hat dem Sohn der toten Skifahrerin sogar gedroht, dass er, wenn er bei den Pflegeeltern nicht recht tue, weit weg vom Wallis in eine andere Pflegefamilie gesteckt werde oder gar ins Heim», sagt sie. Man kann sich vorstellen, was eine solche Drohung für eine geschundene Kinderseele bedeuten kann. Kevins Eltern sind tot, und er liebt seine Grosseltern über alles.

 

Mit der Psychologin von Kevin versuchte die GlücksPost mehrmals über ihr Handy in Kontakt zu treten. Sie rief leider nicht zurück.

 

Wer kann Kevin und der Familie Rey-Bellet jetzt noch helfen?

Helfen könnte Kevin vielleicht André Marty von «Porte-Bonheur», einer Institution, die sich für Waisenkinder einsetzt. Marty, der selber früh seine Eltern verlor, wird unter anderem von Skigrössen wie Didier Cuche, Bernhard Russi, Vreni Schneider und Sylviane Berthod unterstützt. Zum Fall Kevin Rey-Bellet sagte André Marty zur GlücksPost: «Das Ganze ist eine sehr dramatische Geschichte. Ich kannte sowohl Corinne wie deren Ehemann Gerold. Kevin, ein lebhafter Bub, hat viel von seiner Mutter und seinem Vater geerbt; beide waren sehr starke Persönlichkeiten. Leider hat die Pflegefamilie mittlerweile den Kontakt zu den Grosseltern Rey-Bellet abgebrochen.» Auch ein guter Kontakt zu den Grosseltern Stadler in St. Gallen wäre laut Marty für alle Beteiligten sehr hilfreich. «Daran müssten die Psychologen arbeiten. Muss denn Adrien Rey-Bellet erst sterben, bevor eine für beide Seiten optimale Lösung erbracht werden kann?» Marty verspricht: «Wir werden für den kleinen Kevin kämpfen. Er hat meiner Meinung nach das Recht, seine Grosseltern zu sehen, und zwar auch diejenigen väterlicherseits!»

 

Was macht die Vormundschaftsbehörde?

Die zuständige Vormundschaftsbehörde in Abtwil SG, dem ehemaligen Wohnsitz der Familie Stadler-Rey-Bellet, arbeitet derzeit an einer Regelung. Andreas Haltinner, Präsident der Vormundschaftsbehörde:
«Inhaltlich kann ich dazu wegen der behördlichen Schweigepflicht nicht viel sagen. Sicher ist man sich einig, dass die Kontakte und Besuche mit beiden Grosseltern für die Entwicklung von Kevin wichtig sind. Ebenso wichtig ist, dass Kevin eine soziale Familie hat, bei der er aufwachsen kann. Ich hoffe, dass wir innert Wochenfrist eine für Kevin optimale Regelung finden können. Und übrigens: Mittlerweile hat Kevin seinen Grossvater im Spital besucht.»

 

Und die Familie Rey-Bellet?

Adrien Rey-Bellet liegt, dem Tode nahe, im Spital. Seine Frau Verena leidet dadurch doppelte Seelenqualen. Einerseits aus Sorge um ihren Mann. Anderseits, weil sie Kevin derzeit nicht mehr sehen kann. Verena Rey-Bellet versteht die Welt nicht mehr. Erst hat ihr der Mörder und Schwiegersohn ihre beiden Kinder Corinne und Alain genommen. Jetzt tritt man zu alledem den Willen ihrer verstorbenen Tochter mit Füssen, indem man ihnen ihren geliebten Enkel Kevin vorenthält.

 

Ex-Skistar Sylviane Berthod (33), enge Freundin von Corinne Rey- Bellet während ihrer Aktivzeit, ist entsetzt: «Das ist so brutal, das zu hören. Ich besuche die Eltern Rey- Bellet regelmässig. Sie hängen sehr an Kevin. Ihn habe ich im April zuletzt bei einem Skirennen gesehen. Er machte einen ganz normalen Eindruck. Für mich ist diese Geschichte unbegreiflich.»