Heidi Maria Glössner: «Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen»
Weil sie ihren Buben als alleinerziehende Mutter aufzog, lastete alle Verantwortung auf ihr. Doch alles kam gut, und heute sind die Schauspielerin und ihr Sohn sehr stolz aufeinander.
Mutter und Sohn stehen an der Bar des Luzerner Hotels Radisson und ziehen alle Blicke auf sich. Nicht nur, weil Heidi Maria Glössner (66) spätestens seit ihrem Filmerfolg «Die Herbstzeitlosen» oft erkannt wird, sondern auch, weil sie und ihr Sohn Volker Wall (38) auf eine sehr elegante Weise harmonieren. Beide sind sehr schlank, weltgewandt, gut angezogen und wirken bedeutend jünger als sie tatsächlich sind.
«Volker war Valentino- und Hugo-Boss-Model, jobbte in New York und Mailand und kennt Stars wie Helena Christensen persönlich », erzählt die in St. Gallen aufgewachsene, in Bern lebende Theater- und Filmschauspielerin voller Mutterstolz. Und Volker macht ebenfalls keinen Hehl daraus, wie toll er seine Mama findet. «Stolz auf sie bin ich sowieso seit je.» Ganz selbstverständlich war es für ihn früher, sie wie den ebenfalls schauspielernden Vater auf der Bühne zu erleben und mit ihren Figuren in andere Welten abzutauchen. «Und manchmal mitzuspielen», ergänzt Heidi Maria.
«Mit akzentfreiem Deutsch überraschte er als Dreikäsehoch so manchen Regisseur und wirkte mit etwa elf Jahren zudem in vielen Hörspielen mit. Für mich ist er schauspielerisch ein Naturtalent!»
Dann wäre es für den begabten Sohn ja nahe gelegen, in die Fussstapfen seiner Eltern zu treten? «Als kleiner Junge sagte er immer: ‹Wenn ich zum Lernen zu faul sein sollte, werde ich Schauspieler!›» erzählt Heidi Maria mit einem amüsierten Blick auf ihren Volker. «Er hatte sich eher für Technik begeistert, war ein Bastler und ein Tüftler, kaufte sich von seinem ersten Taschengeld einen Computer und nahm ihn auch gleich auseinander.» Heute betreut Volker, der seit drei Jahren verheiratet ist, als Informatik-Manager Projekte bis zu ihrer Einführung in den Firmen.
Er war erst acht Jahre alt, als sich die Eltern trennten, sein norddeutscher Vater zurück nach Deutschland zog. Volker fühlte sich aber nie bewusst einsam.
«Das habe ich vielleicht verdrängt », erinnert er sich. «Erst beim Blick zurück habe ich realisiert, dass meine Kindheit anders verlaufen ist als üblich. Eine befreundete Familie wurde zur Ersatzfamilie, wenn Mama auf Probe oder in der Aufführung war.»
Für Heidi Maria keine einfache Zeit, lastete doch alle Verantwortung auf ihr. «Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen. In jungen Jahren traute ich Volker schon viel zu, verwöhnte ihn aber auch gebührend. Ich kann mich jedoch nicht beklagen: Aus ihm ist ein netter, junger Mann und ein wahrer Gentleman geworden! Wir respektieren uns gegenseitig und geniessen viel Zeit zusammen.»
Am Bildschirm ist Heidi Maria Glössner am 28. März im Schweizer Film «Verstrickt und zugenäht» als verlassene Fabrikantengattin zu erleben.
Gibt es da Parallelen zu ihrem Leben?
«Im Gegenteil!» erklärt sie.
«Ich wurde ja nicht verlassen, sondern mein Mann ging im Zorn, weil ich die Scheidung wollte.
Und im Film wehre ich mich anfänglich, Verantwortung zu übernehmen und zusammen mit den Arbeiterinnen um die Firma zu kämpfen, während ich nach der Scheidung sofort die volle Verantwortung für mich und mein Kind übernahm.»
Und obwohl internationale Angebote auf sie zu kamen, verzichtete sie darauf, die Bühnen hierzulande zu verlassen und anderswo Karriere zu machen. Für sie sei das kein Opfer gewesen.
«Als Volker klein war, wollte ich bewusst jeden Tag miterleben, den er grösser wurde.»