Sandra Studer
«Das Nichtstun hat mehr Platz – das ist schön»
Obwohl die aktuelle Krise bei der Moderatorin anfangs für Tränen sorgte, sieht sie auch einen Gewinn für sich: Sie ermöglichte ihr, mal aus dem Hamsterrad der Arbeit auszusteigen.
Sandra Studer: Natürlich! Es tut gut, wieder rauszugehen. Nicht dass ich mich privat verkrochen hätte, aber beruflich war ich viel weniger unterwegs.
Ganz wie in der Vergangenheit laufen die «Sports Awards» aber nicht ab. Sie küren die besten Sportpersönlichkeiten der letzten 70 Jahre.
Genau. In einem Sportjahr, das auf so viele Grossanlässe und Wettkämpfe verzichten musste, wäre es schwierig gewesen, die Sportlerin oder den Sportler des Jahres zu wählen. Es ist ein glücklicher Zufall, dass die «Sports Awards» ihren 70. Geburtstag feiern. Ein schöner Moment, um zurückzuschauen.
Aufgrund der Corona-Situation findet die Show ohne Publikum statt. Wie ist das für Sie als Moderatorin?
Es fehlt! Aber diesmal bin ich zum einen darauf vorbereitet, zum anderen habe ich mit Rainer einen Moderationspartner. Beim ersten Mal war’s grauenhaft.
Erzählen Sie!
Es war die zweite Sendung von «Darf ich bitten?», im März, direkt nach dem Bundesratsentscheid. Danach war ich nudelfertig. Als die Kamera aus war, stand ich da und habe geheult. Die Erinnerung daran ist schräg … Mir war noch nie so klar gewesen, wie viel Energie vom Publikum zurückkommt. Eingespielten Applaus gab es nicht. Bei einer Show, die von Live-Darbietungen lebt, «verblutet» man ein bisschen auf der Bühne. Bei den «Sports Awards» mit Talks und Einspielern wird das nicht so sein. Na ja, jedenfalls war das nach so vielen Jahren Fernsehen eine erkenntnisreiche Erfahrung.
Sie haben anfangs erwähnt, dass Sie aufgrund der Pandemie weniger unterwegs sind. Fehlt es Ihnen?
Nein, eigentlich nicht. Wenn ich ganz ehrlich bin, war es ein Geschenk. Ich bin seit 30 Jahren in dieser Mühle drin, hätte freiwillig keinen Stopp eingelegt. Der Leerraum, der sich ergeben hat, ist ein Gewinn für mich. Das Nichtstun hat definitiv einen grösseren Platz in meinem Leben bekommen, und das ist schön.
Sie haben schon im Interview zu Ihrem 50. Geburtstag gesagt, dass Sie es theoretisch gerne etwas ruhiger angehen lassen würden.
Da sehen Sie es: Die Theorie stand da schon, bei der Umsetzung in die Praxis wurde nun nachgeholfen. Wobei es natürlich auch die andere, traurige Seite gibt.
Wie spüren Sie die?
Gerade in meiner Branche gibt es Kolleginnen und Kollegen, für die ist die Situation katastrophal. Insbesondere Freiberufliche kommen durch die Schwemme von abgesagten Projekten ans Existenzlimit. Da habe ich noch Glück. Zwei meiner Standbeine – die Event-Moderation und das Theater – sind zwar, abgesehen von einigen Online-Einsätzen, weggebrochen. Aber ich bin dankbar, dass ich das Fernsehen habe.
Eigentlich wären Sie jetzt ja als Nonne im Einsatz.
Ja, ich würde als Mutter Oberin in «Sister Act» auf der Bühne des Bernhard-Theaters stehen. Eine grosse Produktion, auf die ich mich riesig gefreut habe. Wirklich jammerschade, dass sie abgesagt werden musste. Ich hoffe, wir können 2021 oder 2022 spielen.
Sandra Studer als Nonne – eine erheiternde Vorstellung. Bleiben wir kurz beim Thema. Wie wichtig ist Ihnen der Glaube?
(Überlegt.) Die Kirche ist für mich eine Institution, zu der ich – je länger, je mehr – den Zugang nicht mehr so finde. Allerdings habe ich grossen Respekt vor der wichtigen sozialen Arbeit, die in den Gemeinden geleistet wird. Ich bin ein spiritueller Mensch und denke schon, dass rund um uns herum eine Kraft ist, die vieles lenkt und möglich macht. Diesen Glauben, ein Urvertrauen, in eine von mir aus göttliche Energie, den habe ich.
Das Allerwichtigste in Ihrem Leben ist für Sie aber die Familie. Wie funktionierte es mit vier Kindern (12 bis 22) im Lockdown?
Cheibe guet! Gian studiert und hat für die Prüfungen gelernt, Julia und Nina waren mit Homeschooling beschäftigt. Für Lili und mich war der Lockdown von daher am extremsten. Sie mussten wir aus Vietnam zurückholen, wo sie auf Reisen war. Bei mir war plötzlich gar nichts mehr los. Es kommt mir vor, als hätte ich drei Monate durchgekocht: Zmittag, Znacht – irgendwann hat’s mir dann «gnüegelet» (lacht). Aber es war schön, so viel Familienzeit zu haben.
Auf Ihre Familie in Spanien müssen Sie derzeit aber wohl verzichten.
Ja. Wobei mein Göttibub den Sommer bei uns verbracht hat, wie die Jahre davor auch. Aber seine Eltern kamen nicht, und Weihnachten werden wir uns nicht sehen. Aus ihrem Leben zu hören, zeigt mir, dass wir es im Vergleich immer noch gut haben, mit viel mehr Freiheiten.
Ihre spanische Mutter lebt aber hier, nicht wahr?
Ja, wir gehen regelmässig miteinander spazieren. Gerade für alte Menschen – sie ist 88 – ist es wichtig, dass sie trotz allem weiter rausgehen, am Leben teilnehmen und sich bewegen.
Letzteres tun Sie auch auf sportliche Art: Joggen, Yoga, Pilates.
Im Moment gerade nicht. Durch Corona habe ich mehr Sport gemacht, und da wurde aus einer leichten Zerrung, die ich lange ignoriert habe, ein Muskelriss. Es ist aber nicht weiter schlimm. Ein bisschen Physiotherapie, ansonsten heisst es, abwarten und Tee trinken. Und ich darf E-Bike fahren. Das tut meiner Seele gut – draussen zu sein, in der Natur.
Fehlt Ihnen der Sport?
Ich gehöre nicht zu denen, die sagen: Wenn ich keinen machen kann, geht es mir schlecht. Dafür bin ich zu faul (lacht). Aber mir ist es schon wichtig, gedehnt und beweglich zu bleiben, mein Level zu halten. Sonst fängt es mit dem Älterwerden plötzlich an, hier und dort weh zu tun.
Kehren wir noch mal zu den «Sports Awards» zurück: Welche Persönlichkeiten hätten für Sie persönlich «das Krönchen» verdient?
Na ja, wir haben hier die Besten der Besten. Verdient hätten es wohl alle. Und am liebsten hätten Sie jetzt einen Namen von mir?
Ja gerne.
Sicher nöd. Das verbietet mir die Moderatoren-Neutralität. Aber ich verrate Ihnen gerne nach der Sendung, ob ich richtig getippt habe (lacht).
Sportlicher Einsatz – und Kloster-Wehmut
Sportgeschichte haben alle geschrieben. Aber welche der bisherigen «Sports Awards»-Preisträgerinnen und -Preisträger waren die Bedeutendsten? Dies ist in der von Sandra Studer und Rainer Maria Salzgeber moderierten Live-Show «Sports Awards – Die Besten aus 70 Jahren» (13. 12., 20.05 Uhr, SRF 1) zu sehen. Einen ganz anderen Einsatz hätte Studer derzeit im Zürcher Bernhard-Theater – im Musical «Sister Act» als Mutter Oberin. Wegen Corona musste es zu ihrem Bedauern jedoch auf (noch) unbestimmte Zeit verschoben werden.