Freud und Leid so nah beieinander

Ein schwerer Abschied: Kurz vor seinem 75. Geburtstag musste der Schauspieler seine geliebte Mutter zu Grabe tragen.

Eigentlich bestünde Grund zur Freude: Walter Andreas Müller alias WAM feiert am 3. September seinen 75. Geburtstag. Doch zum Glück, wie er sagt, steht er an diesem Abend auf der Bühne in seinem aktuellen Stück «Trittligass». Der Zürcher vermied es ein Leben lang, sein Wiegenfest zu feiern, und hat seinen Kollegen verboten, ihn an diesem Tag hochleben zu lassen. Aber manchmal lässt sich das nicht vermeiden, schon gar nicht als öffentliche Person. «Zu meinem 70. Geburtstag wurde ich dermassen bestürmt, das möchte ich nicht mehr. Aber die Matinée, die Bernhard-Theater-Intendantin Hanna Scheuring damals für mich veranstaltete, war sehr schön und stimmig.»

Vielmehr beschäftigt den Schauspieler der Tod seiner geliebten Mutter Emma am 1. Juni. Mit der zweiten Frau seines Vaters verband ihn eine innige Beziehung. WAMs leibliche Mutter verstarb, als er ein kleiner Junge war. Mindestens zweimal pro Woche besuchte er Emma, erledigte Einkäufe und Administratives. Sie wohnte immer noch – mit Hilfe der Spitex – in einer eigenen Mietwohnung in Zürich-Witikon. «Eine Woche vorher klagte sie über Schmerzen. Plötzlich sagte die Spitex, sie müsse ins Spital, sie hatte Blut im Urin.» Drei Tage nach einer Notoperation wegen eines doppelten Leistenbruchs besucht WAM sie in der Klinik Hirslanden. «Es schien ihr gut zu gehen. Wir scherzten darüber, dass sie sich vorgenommen hatte, mindestens 100 Jahre alt zu werden. Ich meinte, da müsse sie sich langsam sputen.» Wenige Tage später will WAM Emma wieder besuchen. Doch dazu kommt es nicht mehr. Per Telefon informiert ihn der zuständige Arzt, dass seine Mutter am Vorabend friedlich eingeschlafen sei.

WAM erzählt das erstaunlich gefasst. «Es war für mich beinahe eine Art Erlösung. Sie wollte nie in ein Heim, und ich bin froh, dass ich ihr das ersparen konnte. Ein Zimmerli in einer Pflegeinstitution wäre ihr Tod gewesen. 97 ist ein wunderbares Alter, und sie konnte bis zum Schluss glücklich leben, wie sie wollte. Sie starb, ohne gross gelitten zu haben. Das wünschen wir uns doch alle: Noch mitten im Leben zu stehen und dann einfach eines Tages nicht mehr aufzuwachen.» Sein aktuelles Stück «Der Tag, an dem der Papst entführt wurde» hatte Emma Anfang Jahr noch besucht. «Dafür bin ich sehr dankbar. Ich spürte, dass es wohl das letzte Mal sein würde, dass sie mich auf der Bühne sieht.»

«Der Tag, an dem der Papst entführt wurde» wird ab 16. September in den Kammerspielen Seeb wieder aufgenommen, 2021 ist es erneut im Zürcher Hechtplatz-Theater zu sehen (Infos und Daten: www.w-a-m.ch). Ende Jahr will WAM zudem ein neues Globi-Hörbuch realisieren. SRF1 gratuliert ihm zu seinem «halbrunden Geburtstag», wie er ihn nennt, mit einem Rückblick auf sein Schaffen (5.9., ab 14.35 Uhr), u.a. mit einer Spezialausgabe von «SommerLacher».