Kurt Aeschbacher
Hundeglück kam genau zur richtigen Zeit
Die Zeit als TV-Talker ist vorbei. In das geplante Gespräch über sein Leben danach schleicht sich unvermittelt die Aktualität. Sie betrifft ihn in vielfältiger Weise. Gut, gibt es Amélie.
Er hat seine Erfahrungen gemacht. Böse Blicke, Aggression, Angst. Aber auch Freude und Heiterkeit auf den Gesichtern der Leute, die ihm entgegenkommen. Nach einem Leben in steter Begleitung eines Hundes hat Kurt Aeschbacher (71) alles erlebt. Die GlücksPost hat sich mit ihm im Café des Rietbergmuseums verabredet – unweit von seinem Wohnort im Zürcher Stadtteil Enge. Doch die TV-Legende bleibt mit seiner Amélie (2) zögernd draussen stehen. Er sei nicht sicher, ob Hunde im Café erlaubt seien. Sie sind.
Kaum ist das Gespräch beendet, widerfährt Aeschbacher eine für ihn so typisch gewordene Begegnung: Die Dame am Nebentisch fühlt sich bedrängt, weil Amélie ihr zu nahe gekommen ist. Auch ihre Begleiterin schüttelt tadelnd den Kopf. Auch wenn sie gross und schwarz ist: Amélie ist ein Labrador, bekanntermassen eine der sanftmütigsten und folgsamsten Hunderassen überhaupt. Beim Rausgehen schüttelt Aeschbi den Kopf: «Ich verstehe das einfach nicht. Wenn sich solche Leute nur einmal kurz mit Hunden oder mit Amélie auseinandersetzen würden, änderte sich ihr Bild und auch ihr Horizont schlagartig. Aber dazu sind sie leider sehr selten bereit.»
Amélie kommt aus einer Aufzucht für Blindenhunde. Sie erwies sich leider als ungeeignet – zu Aeschbachers Glück. «Nach dem Tod der 16-jährigen Bombay Anfang 2019 fand ich: ‹Eigentlich pressiert es nicht mit einem neuen Hund.› Da Bombay aber in seiner letzten Zeit hauptsächlich bei meinem Ex-Freund Andrin gewohnt hatte – denn da musste er keine Treppen gehen –, habe ich mich schon mit dem Gedanken auseinandergesetzt.» Zumal sein Partner Leonardo Reinau, mit dem Aeschbacher seit über sechs Jahren zusammen ist, sich unbedingt einen Hund wünschte. «Ich schrieb dem Blindenhundeheim in Allschwil, wo ich schon meinen ersten Hund her hatte.»
Man rechnete damit, dass es etwa ein Jahr dauern würde, bis ein geeigneter Hund für das Paar abzugeben sei. Dann ging es allerdings plötzlich sehr schnell: «Ich erhielt einen Anruf, es wäre jetzt so weit, und ich müsse mich sofort entscheiden. Doch ich weilte im Ausland und hatte keine Chance, zu Amélie zu gehen und sie kennenzulernen. Leonardo ging dann hin. Nach dem Besuch sagte er zu mir: ‹Sie hat mich nicht mit dem Füdli angeschaut, da wusste ich, die ist nicht korrumpierbar und darum die Richtige.›»
Reinau und Aeschbacher leben in einer eingetragenen Partnerschaft. «Wir wollten das geregelt haben, gerade wegen dem Altersunterschied», erläutert Aeschbacher. «Zehn Minuten am Schalter, dann war es erledigt.» Klingt nicht gerade romantisch. «Das wollten wir nicht, wir hatten nicht das Bedürfnis, das zu feiern. Wir haben einfach die rechtlichen Grundlagen und Verpflichtungen für beide klargestellt.»
Heute ist Kurt Aeschbacher froh, dass es mit Amélie überraschend schnell ging. Sonst hätte er sie jetzt vermutlich noch nicht. Keine schöne Vorstellung in Zeiten der Corona-Krise, gerade für einen älteren Herrn, der zu Hause bleiben soll. «Dass Amélie so unvermittelt zu uns kam, ist ein Geschenk. Zum Glück habe ich sie, das gibt mir jeden Tag einen Vorwand, das Haus zu verlassen und einen Spaziergang zu machen. Hunde lassen sich zwar nicht von gesellschaftlichen Problemen beeinflussen. Trotzdem merke ich, dass sie in diesen schwierigen Zeiten besonders anhänglich ist.»
Amélie ist jedoch bei weitem nicht Kurt Aeschbachers einzige Beschäftigung seit dem Aus seiner wöchentlichen SRF-Talkshow Ende 2018. Er findet nichts erschreckend am Älterwerden und hat sich seine Neugierde bewahrt. «Mir war immer klar, dass meine Präsenz am TV nicht für immer ist, deshalb schaute ich, das ich nie abhängig wurde davon und habe mir schon lange vor meinem Abschied neue Standbeine aufgebaut.» Im Rückblick seien die 40 Jahre beim Fernsehen eine grossartige Möglichkeit gewesen, sich als Persönlichkeit zu entwickeln. «Ich bin dankbar für all die Möglichkeiten und Freiheiten und die spannenden Menschen, die ich habe kennenlernen dürfen.»
Negative Gefühle, dass man seine Sendung absetzte und auch über die Art, wie das vonstatten ging – per Telefon –, hat er nicht. «Ich versuche grundsätzlich, alles positiv zu sehen. Man kann sich leicht zum Unglücklichsein erziehen, wenn man immer nur das Schlechte sieht.» Gerade bei seinen Einsätzen für UNICEF komme er immer wieder an Orte, an denen nichts selbstverständlich ist: «Kein Geld, Gewalt, keine Möglichkeit, zur Schule zu gehen. Bei uns ist das alles gegeben und der Staat hilft uns mit seiner Infrastruktur. Wir Schweizer jammern und vergessen, in welch perfekten Verhältnissen wir leben.»
UNICEF ist nur ein Job auf der langen Liste von Kurt Aeschbacher: Er ist Verleger der Zeitung «50plus», Inhaber des medizinischen Massagezentrums Antagon in Zürich, Verwaltungsrat einer Privatschule, Präsident einer Tierschutzstiftung und Mitinhaber eines Internet-Start-ups, das von Schweizer Handwerkern in der Schweiz gefertigte Produkte verkauft. Auch Veranstaltungen moderiert er immer noch oder hält Vorträge.
Kurt Aeschbacher arbeitet seit 20 Jahren von zu Hause aus. Aber er weiss, dass viele nicht mit der Situation, daheim eingesperrt zu sein, zurechtkommen. Deshalb kam ihm die Idee zur Soli-Box (www.solibox.ch): «Als Herausgeber vom Magazin ‹50plus› weiss ich, dass in den Alters- und Pflegeheimen ein Bedürfnis nach abwechslungsreichem Lesestoff besteht.»
Die Kartonbox, die gratis verschickt wird, ist gefüllt mit Magazinen und weiterem Lesestoff, Kreuzworträtseln, Jasskarten usw. Die Inhalte wurden von Verlagen und Produzenten kostenlos beigesteuert.
Aeschbacher will jeder Box nach Möglichkeit auch eine Kinderzeichnung beilegen und bittet Schüler und Lehrer, bei der Aktion mitzumachen. «Das Wichtigste ist das Zeichen: Wir haben dich nicht vergessen und denken an dich. Bis heute haben wir über 700 solche Inspirations-Gschänkli verschickt», freut er sich.
«Die verordnete Isolation weckt in uns allen wieder dieses Urbedürfnis nach Nähe und Geborgenheit. Etwas, das wir vielleicht in der Hektik und der Zeit der Selbstinszenierung vor Corona vergessen haben. Plötzlich stellen wir fest, dass wir selbst, unsere Familie und die Nachbarn auf Hilfe und Trost angewiesen sind und merken, dass Solidarität dem eigenen Leben einen Sinn gibt», sinniert er.
So lancierte er mit «menu-casa» auch 1000 Gratismenüs für bedürftige Mitmenschen (www.menu-casa.ch). «Ein Stillstand wie jetzt zwingt uns, über unsere Lebensziele und unser Zusammenleben neu nachzudenken. Insofern hat dieses brutale Virus über Kranke und Tote hinaus einen reinigenden Effekt auf die Frage: Was braucht es für ein glückliches oder zumindest zufriedenes Leben?»
Aeschbacher glaubt, für sich eine Antwort gefunden zu haben: «Meine Aufgabe hier auf Erden ist es, die Zeit zwischen Geburt und Tod sinnvoll zu gestalten und zu erleben. Das zu verpassen, wäre ein fast schon strafwürdiges Verhalten.»