Down-Syndrom
«Mehr Liebe kann ein Kind nicht bekommen»
Das Down-Syndrom muss keine Behinderung sein. Wie extrem bereichernd das Leben mit einem Vater ist, der diese Störung hat, will der Syrer Sader Issa der Welt zeigen.
Sader Issa (21) ist stolz. Auf seinen Vater. Der Zahnarzt-Student aus Syrien bedankt sich bei ihm in einer Kampagne für die «Nationale Gesellschaft für soziale Entwicklung» seines Heimatlandes. Dass sein Vater ihn zu dem Menschen gemacht hat, der er heute ist, scheint für viele ungewöhnlich: Denn Saders Papa Jad hat das Down-Syndrom. Doch für Sader bedeutete die genetische Erkrankung seines Vaters das Gegenteil. Und mit der Teilnahme an der Kampagne will er allen zeigen: Ein Kind, das umsorgt von einem Menschen mit Down-Syndrom aufwächst, empfängt die grösstmögliche Liebe und Zuneigung. «Das macht dich zu einem Menschen, der emotional und sozial stabil ist.» Dass sein Vater auch eine verletzliche Person sei, habe ihn motiviert, der beste Mensch zu werden. «Eltern sein ist für viele eine Herausfor-derung. Aber für meinen Vater war es einfach.»
21 Jahre lang habe er ihn unterstützt und alles getan, um ihm ein sicheres und normales Leben zu gewährleisten. Auch während Saders Studium war und ist Jad in jeder Hinsicht der grösste Beistand. «Wenn er mich heute jemandem vorstellt, sagt er immer: ‹Das ist mein Sohn, er ist Doktor.› Und seine Augen fliessen über vor Stolz und Befriedigung, als wollte er sagen: ‹Ich habe trotz meines Down-Syndroms diesen Mann grossgezogen und dafür gesorgt, dass er Arzt wird und anderen Menschen helfen kann.›»
Sader könnte sich keinen besseren Vater vorstellen. Jad arbeitet seit jeher in der nahe gelegenen Mühle, ist bestens in die Gemeinschaft ihres Wohnortes eingebunden und eine wichtige soziale Stütze. «Seine Kontakte sind pur und unkompliziert. Er liebt jeden und drückt dies aus, ohne dafür etwas zu erwarten. Deshalb lieben und respektieren ihn die Leute und behandeln ihn wie jeden anderen.» Die Beziehung seiner Eltern sei wie jede andere Ehe. «Seit 23 Jahren sind sie verheiratet. Mitunter tragen sie Meinungsverschiedenheiten aus, führen sonst jedoch in jeglicher Hinsicht ein Leben voller Liebe, Einfachheit und Demut.»
Seit Sader das Video, in dem er von seinem Vater erzählt, ins Netz gestellt hat, geht seine Geschichte um die Welt. Einen Vater mit Down-Syndrom sieht man nicht oft. Viele Männer mit diesen Voraussetzungen sind zeugungsunfähig und hatten bis in die 1980er-Jahre eine Lebenserwartung von lediglich 25 Jahren. Das macht diese Vater-Sohn-Geschichte nicht nur herzerwärmend, sondern einzigartig. Heute können Menschen mit Down-Syndrom durchschnittlich bis 60 Jahre alt werden. Sie sind integriert, arbeiten in erfüllenden Jobs, leben unabhängig, viele gehen an Hochschulen und heiraten. Wie Jad.