Die Milch macht’s – oder etwa nicht?
Über Jahrzehnte geschätzt, heute stark umstritten: Die Milch hat einen schweren Stand und soll laut Gegnern sogar gesundheitsschädigend sein. Der Verband der Schweizer Milchproduzenten gibt sich gelassen, aber ist sehr aufmerksam.
Glücklich weidende Kühe auf der Alp, ein lebensfroher «Geissenpeter», den Kessel gleich direkt ansetzend und danach mit Milchschnauz fröhlich grinsend. Dieses durch und durch stimmige Bild prägte unsere Assoziation zum trinkbaren Naturerzeugnis über Jahrzehnte. Clever befeuert von der Milchindustrie. Slogans wie «Die Milch macht’s!» oder «Milch macht müde Männer munter» prägten Generationen.
Mit der Idylle ist es vorbei. Das saubere Image der Milch wird seit Jahren heftig angekratzt. In erster Linie von Studien, die ihr gesundheitsschädigende Wirkung nachsagen. Verschiedene Ernährungswissenschaftler sehen vor allem im hohen Fettgehalt (Vollmilch: 3,5 Gramm auf 100 ml) ein Problem. Der hohe Anteil an gesättigten Fettsäuren in der Milch liesse den LDL-Cholesterinspiegel ansteigen, was das Risiko für Herz-Kreislauf-Leiden erhöht. Eine Studie der Harvard Universität, die allerdings schon fast 20 Jahre alt ist, hat für Männer bei einem hohen Milchkonsum sogar ein um ein Drittel höheres Prostatakrebsrisiko diagnostiziert. Eine andere Harvard-Studie behauptet, dass ein hoher Milchkonsum Osteoporose (Knochenbruch) begünstige.
Sich widersprechende Studien
Rund um eine Vielzahl von solchen Studien ist heute so etwas wie ein Glaubenskrieg rund um die Milch entstanden. Ursprung dafür ist die Tatsache, dass es zu fast jeder Milch-Studie auch eine Gegenstudie gibt, die auf diametral andere Erkenntnisse stösst. Wasser auf die Mühlen der Kritiker ist die im Ausland gestiegene Zahl von bäuerlichen Industriebetrieben, wo Kühe als «Milchmaschinen» gehalten und mit Kraftfutter sowie Antibiotika vollgepumpt werden. Auch die korrekt geführten Betriebe in der Schweiz geraten dadurch zunehmend in Verruf.
Beim Verband der Schweizer Milchproduzenten SMP nimmt man die wachsende Polarisierung innerhalb der Gesellschaft wahr, lässt sich dadurch aber nicht verunsichern. «Selbstverständlich informieren wir uns sehr genau über neue Studien und lesen diese auch aufmerksam», sagt der SMP-Sprecher Reto Burkhardt. «Wir distanzieren uns allerdings von einer teils sehr undifferenzierten Verbreitung von Halbwahrheiten.» So werde zum Beispiel immer wieder behauptet, dass hauptsächlich der Milchkonsum für Schleimbildung verantwortlich sei. «Dies ist gemäss unserem aktuellen Wissensstand falsch, zumal Studien das gleiche Phänomen auch für Sojadrinks deutlich nachweisen», so Burkhardt.
Weniger Trinkmilch, mehr Milchprodukte
Was man bei SMP nicht abstreiten kann: Der Absatz von Trinkmilch geht in der Schweiz seit Jahren zurück. Konstant bleibt hingegen der Gesamtverbrauch von Milchprodukten. «Wir registrieren für 2018 einen Pro-Kopf-Verbrauch von rund 370 Kilogramm, was dem gleichen Wert wie in den drei Jahren zuvor entspricht», sagt Reto Burkhardt. Der Grund seien deutlich gewachsene Umsätze anderer Milchprodukte wie Käse, Butter und Milchmischgetränke. Dies belegt: Ernsthafte Sorgen um ihre Gesundheit scheint sich die Bevölkerung im Zusammenhang mit Milch also nicht zu machen.
Laktoseintoleranz – im Alter zunehmend
Losgelöst von anderen Gesundheitsfragen rund um die Milch ist die Laktose-Intoleranz ein reales Phänomen. Laktose (Milchzucker) ist ein Bestandteil der Milch, der über spezielle Enzyme im Darm zunächst aufgespalten und dann vom Körper aufgenommen wird. Während diese Enzyme von Säuglingen verstärkt produziert werden, nehmen sie bei älteren Menschen ab und können sogar ganz ausbleiben. Als Folge kann die Laktose nicht mehr verwertet werden, sondern wird im Dickdarm von Bakterien verstoffwechselt, wobei grössere Mengen an Gas entstehen. Diese führen oft zu Blähungen, Völlegefühl und Unwohlsein.