Er singt gegen das Vergessen

Der Mann in den bunten Kleidern malt sich noch schnell Wangen und Nase rot an, setzt seinen Hut auf – und los geht’s: Schon steht Ralf Stumpf (48) als «singender Clown Ralle» auf der Bühne und schmettert Schlager. Im Saal lauschen etwa 40 Senioren, durchschnittlich 85 Jahre alt, die meisten an Demenz erkrankt.

Viele schauen zuerst nur. Doch es dauert nicht lange, bis ihre Lebensgeister erwachen: Sie lachen, reissen die Arme hoch, klatschen mit, blühen sichtbar auf. «Fiesta Mexicana», «Marina», «Griechischer Wein» oder die «Capri-Fischer» singt Ralle – alles altbekannte Lieder. «Das ist wichtig, denn die Senioren kennen die Melodien und Texte von früher», erklärt er. Eine ganze Stunde tanzt und singt der Clown, immer in Bewegung zwischen den Stuhl- und Rollatorenreihen.

Es ist Stimmung im Saal. Eine Dame streichelt ihm über die Wange, lächelt selig.

Jeden Montag tritt der singende Clown im Karl-Delorme-Haus des ASB-Seniorenzentrums in Mainz  (D) auf und wird immer sehnlichst erwartet. Das bemerkt auch Iris Faber (49), Diplom-Sozialpädagogin beim ASB. «Es ist bewegend, wenn stille Senioren, die die Woche über kaum in Kontakt mit ihrer Umwelt treten, plötzlich aufblühen.» Sie habe jüngst zwei Damen beobachtet, wie sie sich angelächelt und sich sogar die Hände gegeben haben. «Das ist ein Verhalten, das sie sonst nicht zeigen.»

Die Expertin, die den Fachbereich «Soziale Betreuung» der Einrichtung leitet, erzählt weiter: «Es ist erwiesen, dass Humor und Musik eine sehr positive Wirkung auf demenzkranke Menschen haben. Durch Angebote wie unseren singenden Clown Ralle können wir den Verlauf der Krankheit deutlich verlangsamen.»

Der Clown, der regelmässig in mehreren Heimen auftritt, ist darüber sehr glücklich. «Ich war schon immer ein bunter Vogel, der die Menschen zum Lachen bringt.» Und vielleicht, so hofft er, «erinnern sich die Senioren ja, wenn ich für sie singe, an besonders schöne und wichtige Momente ihres Lebens.»