Brustkrebs
«Wir paddeln dem Krebs davon»
15 Frauen haben ein gemeinsames Schicksal: Sie leiden an Brustkrebs. Mit Sport kämpfen sie gegen die Krankheit an.
Diese Frauen sitzen buchstäblich in einem Boot: Die «Pink Dragonistas» aus Hannover (D) sind 15 starke Frauen, die ein gemeinsames Schicksal teilen – sie sind allesamt Brustkrebspatientinnen.
Da aufgeben aber für keine von ihnen eine Option ist und sie der Krankheit die Stirn bieten wollen, haben sie einen ganz besonderen Sport für sich gefunden. «Wir paddeln zusammen gegen den Krebs», sagt Martina Scheerle. Seit knapp einem Jahr trainiert die 47-Jährige nun schon auf dem Maschsee. Zum Verein war sie über die «Pinken Zitronen» gestossen, einer Selbsthilfegruppe für Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, aber aktiv am Leben teilnehmen wollen. «Am Anfang wusste ich nicht, ob mein Körper die sportliche Anstrengung überhaupt aushalten würde», erinnert sich Martina Scheerle.
Im März 2017 hatte sie die Diagnose erhalten, wurde im April operiert und befand sich mitten in der Chemotherapie, als sie zwei Monate später zum ersten Mal ins Boot stieg. «Ich hatte starke Schmerzen im Arm, war extrem geschwächt und konnte das Paddel kaum halten.» Doch da Martinas Teampartnerinnen mit denselben Problemen zu kämpfen hatten, war das überhaupt nicht schlimm. «Wer nicht mehr kann, der zieht sein Paddel einfach rein, ruht sich aus und wird vom anderen mitgezogen.» Denn darum geht es: sich gegenseitig zu unterstützen und Mut zu machen.
Mut macht ihnen auch Herbert Pinnecke, Präsident vom Sport Club Hannover. Die Idee, Brustkrebspatientinnen im Drachenbootfahren zu trainieren, kam von ihm, da er von den positiven Gesundheitseffekten gehört hatte. Eine kanadische Studie beweist, dass die fliessende Bewegung des Paddelns die notwendige, gleichmässige Belastung bringt, während abrupte Bewegungen beim Laufen und Rudern weniger geeignet sind. Ausserdem konnte belegt werden, dass sich die unangenehmen Lymphödeme (Flüssigkeit in Armen und Beinen) bei regelmässigem Training zurückbilden, was für alle Betroffenen das Wohlbefinden steigert.
Zweimal pro Woche steht Herbert Pinnecke als Steuermann auf dem Drachenboot und ruft «seinen Mädels» die Befehle zu. «In Watte werden sie von mir nicht gepackt», betont er. «Das wollen sie aber auch gar nicht, dafür sind sie viel zu ehrgeizig.» Denn neben den positiven Effekten für den Körper ist der Sport auch noch Balsam für die Seele, gibt neuen Lebensmut und Kraft. «Die Atmosphäre auf dem Wasser hat etwas Friedliches, und ich kann vom Alltag abschalten», sagt Martina, die mittlerweile wieder in ihrer leitenden Position für ein Weiterbildungsinstitut arbeitet.
Und wenn Herbert Pinnecke den Befehl «Paddel hoch» ruft, ist es einfach ganz still auf dem Wasser. «Ich bin dann mit meinen Gedanken nur beim Team und dem Trainer», erzählt Martina. Auf dem Wasser sind sie eine Einheit, aber auch an Land stärken sich die Frauen gegenseitig. Bei einem Getränk sitzen sie nach dem anstrengenden Training auf einer kleinen Mauer und tauschen sich aus. Sie sprechen über ihre Sorgen und Ängste, teilen ihre Erfahrungen. «Das alles konnte das private Umfeld in der Akutphase und während der Chemo nicht leisten, ausserdem will man Freunde und Familie schonen und nicht belasten», erklärt Martina. Im selben Boot sitzt eben nur, wer Ähnliches erfahren hat.