«Alle sollen sehen, was er mir angetan hat»
Er wollte ihr alles nehmen und überschüttete Gessica mit Säure, weil sie sich von ihm getrennt hatte. Doch die Italienerin ist stärker als der Hass ihres Ex-Freundes.
Endlich konnte Gessica Notaro (26) wieder lachen und nach vorne schauen. Gerade hatte sie sich von ihrem Freund Jorge Edson Tavares (30) getrennt. Mit seiner Eifersucht und seinen Wutanfällen machte er ihr das Leben zur Hölle. Gessica erwirkte deswegen sogar ein Kontaktverbot bei der Polizei, fühlte sich sicher, obwohl er die Trennung als «Hirngespinst» von ihr verspottete.
«Er war total irre. Einmal täuschte er sogar seinen Selbstmord vor, damit ich zurückkomme», erzählte sie der Zeitschrift «In».
Doch Gessica verdrängte es. All das sollte hinter ihr liegen. Unbeschwert schlenderte das Model am 10. Januar 2017 zu seinem Auto in Rimini (I), als Gessica plötzlich ihren Namen hörte. Nur Sekunden später landete eine ätzende Flüssigkeit in ihrem Gesicht und frass sich binnen Sekunden auch durch ihre Kleidung, verletzte Hüfte und Beine.
«Es war ein brennender Schmerz», sagt Gessica und erinnert sich: «Nimm mir meine Schönheit, aber lass mir meine Sehkraft, flehte ich in dem Moment zu Gott.» Er hat sie erhört. In der Klinik konnten die Ärzte ein Auge retten. Ob auch das zweite die Schwefelsäure überstanden hat, wird sich in naher Zukunft zeigen – gut sieht es nicht aus.
Trotzdem steht aber bereits heute fest, dass Gessica sich von ihrem Ex-Freund nicht ihr Leben zerstören lässt. Nur drei Monate nach seinem feigen Attentat besuchte sie eine Talkshow. «Du musst das Tuch nicht ablegen», bot der Moderator an. Doch genau das wollte Gessica. «Ich möchte, dass Sie sehen, was er mir angetan hat. Das hat nichts mit Liebe zu tun», sagte sie in die Stille hinein.
Denn im TV-Studio wurde es plötzlich ganz ruhig, als sie ihr verätztes Gesicht mit der Augenklappe zeigte. Doch statt zu weinen, schwärmte Gessica von dem, was ihr geblieben ist. «Ich bin zwar verunstaltet, aber die restlichen Fähigkeiten habe ich noch. Ich kann schmecken, riechen und sehen», sagte sie zu «In». Doch einfach ist ihr Weg nicht: «Die ersten zwei Monate waren hart. Wegen der Infektionsgefahr durften Familie und Freunde nur durch eine Glasscheibe mit mir sprechen. Zudem muss ich fast mein ganzes Geld für Medizin ausgeben, das sind 700 Euro im Monat.»
Auch deshalb, aber vor allem, weil sie eine starke Frau ist, stand Gessica jetzt wieder in Rom auf dem Laufsteg. Voller Stolz schritt sie über den Catwalk und wurde frenetisch gefeiert. Es wird nicht ihr letzter Auftritt bleiben.
Und ihr Ex? Er wartet im Gefängnis auf seinen Prozess – und hält sich für unschuldig. Nichts Ungewöhnliches im Macholand Italien. Femminicidio wird es dort genannt, wenn Frauen von ihren Ex-Partnern ermordet werden. 2016 gab es mehr als 70 Todesfälle.