Mukoviszidose
Im Galopp zurück ins Leben
Sara Bley leidet an Mukoviszidose. Doch dank Stute Greta hat sich ihr Zustand derart verbessert, dass sie heute mit ihr Turniere reitet.
«Meine beste Freundin hat vier Beine, eine Mähne und weiss alles von mir.» Sara Bley (28) lacht. Die junge Frau tätschelt ihrer Stute Greta
liebevoll den Kopf. «Sie ist mein Ein und Alles, ich verdanke ihr mein Leben.»
Dann erzählt Sara ihre Geschichte. Als Mädchen tobt sie fröhlich herum, wie alle anderen Kinder auch. Gut, sie muss oft husten, fühlt sich immer wieder schlapp. Aber die Ärzte beruhigen ihre Mutter Manuela, sprechen von einer «harmlosen Bronchitis». Doch warum ist der Husten so hartnäckig? Und woher diese Müdigkeit? Die anderen Kinder fahren ihr mit dem Velo davon, nach der Schule muss sie sich jeweils eine Weile hinlegen. Lange tappen die Ärzte im Dunkeln. Erst ein Spezialist diagnostiziert Mukoviszidose, auch zystische Fibrose genannt. Sara ist zwölf und weiss nicht, was das für sie bedeutet.
«Es ging mir richtig schlecht. Mukoviszidose stört die Bildung diverser Körperflüssigkeiten. Ich hatte viel zu viel Sekret in der Lunge und bekam kaum Luft, die Verdauungssekretion war ebenfalls gestört. Ich nahm ab, wog nur noch 40 Kilo und war monatelang in Kliniken», erinnert sie sich. Zudem beeinflusst die Krankheit das Immunsystem: Sara hat viele kräftezehrende Infektionen.
Ihre Mutter ist in grosser Sorge, sie bangt um das Leben der einzigen Tochter. «Es war ein Wink des Schicksals, als mir ein befreundeter Bauer von Greta erzählte», sagt Manuela. Sie sollte geschlachtet werden, niemand wollte das wilde Fohlen. Mutter Manuela nahm Greta zu sich – für Sara.
An die erste Begegnung erinnert sie sich genau. «Greta trottete auf Sara zu, legte friedlich den Kopf auf ihre Schulter und leckte ihr das Ohr ab. Da merkte ich sofort: Die beiden tun einander gut.»
Sara und Greta sind unzertrennlich. Jeden Tag geht Sara nach der Schule zum Stall, um Greta zu betreuen. Das Mädchen gibt dem störrischen Pferd Liebe und Sicherheit. Und Greta gibt der unheilbar kranken Sara Zuversicht und Mut zurück. Sie beginnt, um ihr Leben zu kämpfen. Statt in
Kliniken zu sein, will sie reiten. Ansporn genug, um die aufwendigen Therapien durchzuhalten. Fünf Stunden täglich braucht sie Infusionen, zudem Bewegungstherapien und Inhalationen.
Doch für Greta will sie durchhalten. Denn sie weiss: Nur wenn es ihr gut geht, kann sie reiten. Dann entspannen die Muskeln, die Atmung wird regelmässiger. Gemeinsam schaffen sie das Unmögliche: Innert weniger Jahre ist Saras Gesundheitszustand so stabil, dass sie Turniere reiten kann. «Ich habe mehrfach gewonnen», strahlt Sara. Nicht nur das Reiten gibt ihr Kraft. «Oft spazieren wir nur. Greta spürt, wenn ich verzweifelt bin. Ich bin mir sicher, dass sie alles versteht. Wenn ich sie brauche, ist sie ganz still.»
Still ist Greta auch, als Sara 2010 nach ihrer Ausbildung zur Speditionskauffrau keine Arbeit annehmen kann und eine lebenslange Rente zugesprochen erhält. «Ich war so traurig. Ich habe gern gearbeitet, die Kollegen und die Normalität fehlten mir», erzählt Sara. Aber die Krankheit lässt das nicht zu. «Ich freue mich über jeden Tag, an dem es mir gut geht.»
So ist es bis heute geblieben. Sara lebt nach einem straffen Therapieplan, der morgens um 7 Uhr beginnt, danach geht sie in den Stall, wo Greta auf sie wartet. Dort geniesst sie mit ihrem Pferd den Tag und vergisst, dass schon morgen alles ganz anders sein kann.