Lange aus den Augen verloren
«Wir haben 37 Jahre aufeinander gewartet»
Elke und Jörg wuchsen im gleichen Kinderheim auf und waren unzertrennlich. Dann verloren sie sich für lange Zeit aus den Augen.
Sie strahlt vor Glück, er neigt lächelnd den Kopf in ihre Richtung, beide halten sich fest an den Händen. Wie sich diese Fotos gleichen! Dabei liegen zwischen der alten Schwarzweiss-Aufnahme und dem Bild von heute mehrere Jahrzehnte – sehnsuchtsvolle, einsame Jahrzehnte. Jetzt endlich dürfen Elke (46) und Jörg (47) ihre Liebe leben. Was für eine unglaubliche Geschichte!
Sie begann in den späten 70er-Jahren in Weimar (D). Elke und Jörg lebten beide im Kinderheim Rosa Thälmann. «Wir waren sieben Jahre alt und die allerbesten Freunde», erinnert sich Jörg. «Wir gingen in die gleiche Schule, und nach dem Unterricht versteckten wir uns im Heim in einem Wandschrank, hielten Händchen und küssten uns.» Sogar «geheiratet» haben sie. «Wir steckten uns Ringe aus Gänseblümchen an die Finger und schworen uns ewige Treue. Ganz so, wie wir es aus dem Fernsehen kannten», erzählt Elke und muss schmunzeln.
Doch das Schicksal riss das Kinderpaar auseinander. Nach zwei gemeinsamen Jahren kam Elke wieder in ihre Familie, Jörg zu Pflegeeltern. Die Jahre zogen ins Land. Elke und Jörg heirateten, führten ihre Leben, hatten keinen Kontakt mehr. «Bis mir plötzlich dieses alte Bild von uns beiden in die Hände fiel», sagt Elke. Ein Zeichen? Ganz vergessen hatte sie ihren Jörg nie. Jetzt kriselte ihre Ehe, und tief im Innersten sehnte sie sich nach ihrem Gefährten von einst. Vielleicht sogar schon die ganze Zeit. Als hätte ein Stück gefehlt in ihrem Leben.
Elke erzählt: «Ich begann im Internet, in Heimkinder-Foren zu recherchieren.» Und schliesslich fand sie Jörg. Auch er hatte sie nie vergessen können. Und auch seine Ehe stand vor dem Aus. Die beiden verabredeten sich. Jörg fuhr mit dem Zug zu ihr nach Erfurt. «Elke stand auf dem Bahnsteig und nahm mich gleich mit einer liebevollen Umarmung in Empfang. Da machte es bei mir sofort wieder klick», sagt Jörg. «Auf der Stelle waren wir uns vertraut. Alles fühlte sich an wie früher – als hätte es die mehr als drei Jahrzehnte dazwischen nicht gegeben.»
Elke und Jörg tranken Kaffee, redeten. «Wir merkten in diesem Augenblick: Wir gehören zusammen!» Nach dem Treffen telefonierten die beiden jeden Tag. «Es war wie in unserer Kinderzeit – wir kamen nicht mehr voneinander los!» Sie machten Nägel mit Köpfen. «Wir liessen uns beide scheiden, zogen in Weimar zusammen. Wir wollten zurück zu unseren Wurzeln. Wir haben 37 Jahre aufeinander gewartet – jetzt trennt uns nichts mehr.»
Inzwischen haben die beiden geheiratet. Das alte, gemeinsame Foto hat einen Ehrenplatz im Wohnzimmer. «Es erinnert uns jeden Tag an unsere Liebe. Und wie auf dem Bild wollen wir uns jetzt nie mehr loslassen.»