«Mit dem Alter werde ich immer emotionaler»

Seit zehn Jahren präsentiert der TV-Liebling «Happy Day» – und ist selbst jedes Mal zu Tränen gerührt. Und viel Gefühl beweist er auch privat – in der Ehe mit seiner Gattin Esther.

Hinter uns der Wald, in der Ferne der See – und dazwischen neben alten Häusern viel Industrie, Bahnschienen und Baustellen. «Keine Postkarten-Aussicht, aber ich mag sie. Das ist das echte Zürich, es lebt», sagt Röbi Koller (59), als wir ihn in der Waid am Stadtrand treffen. Das wahre Leben fasziniert ihn, nicht die schöne Fassade. Und das zeigt auch seine Sendung «Happy Day», mit der er Jubiläum feiert: Schmerz und Schicksale, aber auch Glück und Freude.

GlücksPost: Zehn Jahre «Happy Day» – hätten Sie das damals erwartet?

Röbi Koller: Ich habe nie so weit vorausgeschaut. Wir waren damit beschäftigt, wie es ankommt, was wir verbessern könnten: Es war ja kein Senkrechtstarter. Von vielen Kollegen und Journalisten wurde «Happy Day» belächelt, teils rümpfen sie heute noch die Nase. Aber das Publikum hat längst gemerkt, dass die Sendung gut ist.

Die Quoten sprechen für sich.

Ja, es ist die erfolgreichste SRF-Show. Aber man will ja ein Produkt machen, mit dem man selber zufrieden ist, gute Geschichten erzählen, dabei respektvoll sein.

Was ist das Geheimnis?

Ich glaube, die Mischung macht es aus. Viele Privatsender handeln die verschiedenen Genres einzeln ab – wir machen einen «Gemischtwarenladen». Ein Programmgestalter würde vielleicht sagen, es fehle an Profil, aber manchmal muss man dem Gefühl folgen: Wir haben das gemacht, worauf wir Lust hatten, und es kommt an.

Und nun hatten Sie Lust auf Neues: In der letzten Sendung reisten Sie mit zwei LKW-Fahrern zur «Ice Road» nach Kanada.

Ja, eine Weiterentwicklung. Es gab keine Tränen, keinen Schicksalsschlag, wir haben den beiden einfach einen Traum erfüllt – was insofern natürlich auch emotional war. Ich war nicht nur der Fernsehonkel, der Geschenke bringt, sondern Teil des Abenteuers.

In all den Jahren begegneten Ihnen viele Schicksale. Stumpft man ab?

Das wäre schlecht! Die Geschichten dieser Menschen interessieren mich nach wie vor: Unglaublich, wie sie ihr Schicksal annehmen, kämpfen. Viele sind mir und den Zuschauern ein Vorbild. Ich glaube, bei uns spürt man die Schweizer Werte ganz stark: Solidarität, Tapferkeit, Bescheidenheit, selbst im Umgang mit schweren Krankheiten. Viele denken, sie hätten das gar nicht verdient. In anderen Sendungen wird lauter geweint und gejubelt als bei uns, doch die Menschen erkennen sich wieder.

Belasten Sie diese Schicksale auch?

Da muss man ehrlich sein: Zu nahe darf ich diese Dinge nicht an mich heranlassen, ich bin weder Arzt noch Sozialarbeiter, sondern Moderator. Aber ich werde mit dem Alter immer emotionaler. Heute kommen mir bei fast jeder Überraschung die Tränen!

Apropos Älterwerden: Sie feiern ein weiteres Jubiläum, werden im November 60. Wie fühlt sich das an?

Wer sagt, dass es Spass macht, lügt. Man möchte zwar alt werden, aber nicht alt sein. Es sind gemischte Gefühle: Einerseits ein etwas trotziges Gehabe dagegen, anderseits kann man ja nichts machen. Das Leben geht weiter.

Wie spüren Sie es, das Alter?

Die Gedanken an die eigene Endlichkeit werden grösser – aber sie machen mir keine Angst. Ich finde, wenn man sich mit dem Tod auseinandersetzt, macht das eher ruhiger. Keiner kann bleiben, und auch der Allergrösste wird irgendwann vergessen sein.

Haben Sie Zipperlein?

Ich habe schon mein Leben lang Rückenbeschwerden, hatte schon mit 20 Rheuma. Ich leide an Morbus Bechterew, eine chronische Rückenkrankheit, die zu Versteifungen führen kann, Entzündungen hervorruft und Ruheschmerz – das heisst, dass man nach drei Stunden liegen Rückenweh bekommt. Ich habe jahrzehntelang Entzündungshemmer genommen, heute noch manchmal. Die Krankheit wird aber nach 50 schwächer. Das Ziel ist einfach, beweglich zu bleiben.

Sie fahren Velo und joggen.

Ach, sooo sportlich bin ich gar nicht, ich könnte mehr machen.

Was hält Sie dann jung und fit?

Optimismus und Lebensfreude. Man muss das Schöne sehen, fähig sein zu geniessen. Was bringt es, gertenschlank, dafür todunglücklich zu sein? Man muss die Balance finden. Das Sozialleben ist für mich eine wichtige Stütze.

Ihre Tage sind aber ziemlich ausgefüllt mit Arbeit.

Ja, neben dem TV und Moderationen bin ich Präsident des Zürcher Bach Chores, im Vorstand eines Vereins, der Stipendien für literarische Übersetzungen vergibt, Reisebegleiter, Botschafter

des Hilfswerks Comundo, und im Herbst erscheint mein Buch.

Worum geht es? Eine Biografie?

Ich will nicht zu viel sagen, aber ja, es hat schon viele autobiografische Züge.

Was sehen Sie, wenn Sie zurückblicken?

Eine Fülle an Erlebnissen, sodass man kaum den Überblick behält. Das macht einerseits Freude, anderseits ist es wohl auch das Schicksal unseres Lebens, dass das Einzelne schnell vom Nächsten überdeckt wird. Etwas langsamer wäre manchmal auch okay.

Ihre Frau Esther Della Pietra ist ebenfalls sehr engagiert – als Regisseurin, auch von «Happy Day». Ist sie somit Ihr Chef?

Das nicht, aber sie hat im Studio die Fäden in der  Hand. Theoretisch kann der Moderator machen, was er will, anderseits ist er aufgeschmissen, wenn er zum Beispiel nicht im richtigen Licht steht. Wir arbeiten Hand in Hand, die Regisseurin, der Produzent und ich.

Auch Sie beide feiern bald ein Jubiläum!

Wir waren letztes Jahr 20 Jahre zusammen.

Aber im Mai 15 Jahre verheiratet.

(Er überlegt) Stimmt, aber das feiern wir nicht gross.

Was macht Ihre Frau für Sie zur idealen Gefährtin?

Dass wir gut zusammenpassen. Es klingt simpel, aber man muss enorm Glück haben, so eine Partnerin zu finden. Zudem ist das Bewusstsein wichtig, dass es nicht von alleine geht, man muss an der Beziehung arbeiten. Man darf nicht nur Ansprüche stellen, sondern muss auch etwas geben und Kompromisse eingehen.

Sonst ein Rezept?

Kein Rezept, aber bei uns sind es nicht Gegensätzlichkeiten, die sich ergänzen, wir haben viele gemeinsame Interessen – von Kultur übers Kochen bis zum Reisen. Bald gehen wir sechs Wochen nach Costa Rica und Panama, das leisten wir uns. Finanziell, aber vor allem zeitlich, weil diese gemeinsame Zeit einfach wichtig ist.

Nach 15 Ehejahren: Gibt es da noch Sachen, die sie aneinander stören?

Kleine Konflikte gehören dazu: Sie ist pingeliger, ich bin fahriger. Zudem bin ich beruflich sehr oft unterwegs, was manchmal auch ein Konfliktpunkt ist. Wie das Thema Fernsehen: Da wissen wir beide natürlich immer besser als der andere, wie es funktioniert, dann wird halt mal «gechifelt».

Haben Sie Pläne für einen gemeinsamen Ruhestand?

Esther will mit 60 aufhören, also wenn ich 65 bin. Dann wäre es schön, die Arbeit etwas zu reduzieren. Aber ich bin ja nicht angestellt, bei mir wird es keinen eindeutigen Zeitpunkt der Pensionierung geben. Wenn «Happy Day» einmal endet, wird das aber sicherlich ein grosser Schnitt sein.

Und wann wird das sein? Noch fünf Jahre, zehn Jahre?

Ich kann mir gut vorstellen, dass «Happy Day» mit dem jetzigen Erfolg noch ein paar Jahre läuft. Wenn es bis über mein offizielles Pensionsalter hinaus funktioniert, bin ich natürlich auch happy!a

Jubiläum!

Doppelte Emotionen: Am 22.4. begrüsst Röbi Koller zu einem gewohnten «Happy Day» (20.10 Uhr, -SRF 1). Unter anderem ist Rodolpho in Costa Rica auf der Suche nach seinen leiblichen Eltern, bei Witwe Lisabeth wird umgebaut, im Star-Duett singt Adel Tawil. Eine Woche später, am 29.4., gibt es eine Spezialsendung zum 10-Jahr-Jubiläum. Darin schaut Röbi mit Kiki Maeder und Gästen auf unvergessliche «Happy Day»-Momente zurück.