Gottesanbeterinnen
Alles andere als zimperlich
Bald schon erwachen die Gottesanbeterinnen zum Leben. Die Weibchen der Insekten haben den Ruf, Schwarze Witwen zu sein – was nur bedingt richtig ist: Sie töten ihre «Liebespartner» nicht immer. Und wenn doch, ist das biologisch gesehen halb so wild.
Als würden sie inbrünstig den Schöpfer preisen, sind ihre Fangarme dem Himmel zugewandt. Diese Haltung brachte der Gottesanbeterin ihren Namen ein. Und nicht nur der ist besonders, sondern ihre ganze Erscheinung. Bis zu 7,5 Zentimeter können die Weibchen gross werden. Sie beginnen aber erst jetzt, sich zu entwickeln. «Je nach Standort schlüpfen die Larven hierzulande ab Ende April bis Mai», erklärt Biologe Matthias Borer vom Naturhistorischen Museum Basel. «An südexponierten, tieferen Lagen geht es früher los.»
Die Larven schlüpfen aus Ootheken, diese Eipakete wurden von den Weibchen im letzten Jahr abgelegt. Die erwachsenen Tiere haben den Winter nicht über-standen. Die Lebensspanne der Gottesanbeterin umfasst nur eine Saison: Die Larve entwickelt sich zum adulten Tier, es pflanzt sich fort, und im Herbst ist alles zu Ende.
Ursprünglich haben sich die Tiere – die übrigens 2017 in der Schweiz, Österreich und in Deutschland zum «Insekt des Jahres» gekürt wurden – von Afrika her ausgebreitet, und bevorzugen Wärmeinseln. «In der Schweiz kommen sie zum Beispiel im Nordwesten vor, dem Jura-Südfuss, im Raum Biel-Neuenburg, im Genfer Becken, dem Tessin und im Wallis», sagt Matthias Borer. «In Visperterminen auf 1450 Meter über Meer befindet sich das höchst gelegene bisher bekannte Vorkommen Europas.»
Gottesanbeterinnen mögen sonnige Lagen, Brachland, Gras- und Buschlandschaften – mit genügend tierischer Nahrung. Sie sehen zwar recht harmlos aus, ihre «betenden Hände» sind aber eine hervorragende Waffe: Mit ihnen fangen sie blitzschnell Beutetiere wie Heuschrecken, Bienen, Fliegen und Käfer und verspeisen sie bei lebendigem Leib. Klingt etwas rabiat – wie auch das Gerücht, dass die Weibchen die Männchen nach der Paarung töten. «Das ist jedoch nicht immer der Fall», sagt der Experte. «Aber ja, es kommt vor. Und biologisch ist es keine Katastrophe: Ein gut genährtes Weibchen produziert mehr Eier, die vom Männchen befruchtet werden. Manchmal beginnen sie noch während der Kopulation, die Männchen zu fressen, diese sind jedoch auch ‹kopflos› in der Lage, ihr Spermienpaket abzugeben. Und haben somit ihr Ziel erfüllt – die Fortpflanzung und damit den Erhalt der Art.»
Info
Wer eine Gottesanbeterin sieht, kann das dem Centre Suisse de Cartographie de la Faune (CSCF) melden, das die Verbreitung von Tieren in der Schweiz beobachtet: www.webfauna.ch