Senioren
Älterwerden darf auch Spass machen!
Ist Älterwerden wirklich so schlimm? Gehört man ab 65 Jahren tatsächlich zum «alten Eisen»? Der Mediziner Dr. Michael Prang räumt mit Klischees auf und lädt dazu ein, das Seniorenalter freudvoll zu geniessen!
Urs G.* aus dem Zürcher Unterland unternimmt mit seinen 72 Jahren nach wie vor anspruchsvolle Bergtouren in den Schweizer Alpen. Letztes Jahr nahm er gar an einem mehrwöchigen Himalaja-Trekking in Nepal teil, das in hohe Lagen von weit über 3000 Metern über Meer führte. Der vitale Grossvater erfüllte sich damit einen lang gehegten Traum.
Oder Emil R.*: Auch mit 75 Jahren machte es dem ehemaligen Nationalökonomen nach wie vor Spass, den bekannten Bieler 100-km-Lauf zu absolvieren – auch wenn er nicht mehr der Schnellste war.
Diese zwei Beispiele aus meinem Bekanntenkreis zeigen: Älterwerden muss keineswegs bedeuten, dass man nur noch von Arzt zu Arzt rennt, einsam zu Hause rumsitzt oder zunehmend vergesslicher wird.
Nicht mehr jung, aber auch nicht wirklich alt
Tatsache ist: Zahlreiche «Seniorinnen und Senioren» über 65 Jahre sind heutzutage biologisch weitaus jünger, als es in ihrem Pass steht. «Das zeitliche Alter ist durch das Geburtsdatum festgelegt. Das biologische Alter hingegen spiegelt wider, wie gut der Körper funktioniert», erklärt der Mediziner Dr. med. Michael Prang, früher auch als «Morning Doc» beim Frühstücksfernsehen von Sat.1 bekannt. «Das biolo-gische Alter wird unter anderem von Blutdruck, Gewicht, Knochendichte und dem Cholesterinspiegel im Blut bestimmt», so Prang.
Auch wenn wir heute eine längere Lebenserwartung haben als unsere Vorfahren, fürchten sich dennoch viele Menschen vor dem Alter. Dazu meint Dr. Prang: «Dies hat natürlich Gründe: Während Gesundheit, Vitalität, Spass, Sportlichkeit und Erotik abnehmen, nehmen Falten, Haarausfall, Arthrose, Vergesslichkeit, Schlaganfälle und etliches Nervige und Unangenehme mehr zu.» Wenn der Hausarzt dann noch nebenbei bemerkt, das sei das Alter und da könne man nicht mehr viel tun, fühlt sich mancher Patient dazu gedrängt, sich weniger attraktiv, nicht mehr gebraucht und/oder weniger leistungsfähig zu fühlen. Sind solche abwertenden Kommentare aber berechtigt? Oder geht es auch positiver?
Älterwerden muss keine Qual sein
Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass man mit 70 plus längst nicht zum alten Eisen gehören muss. Dazu gibt es auch prominente Beispiele, wie etwa Udo Jürgens, der mit 79 Jahren seine letzten Konzerte gab. Oder die Rolling Stones, die 2016 noch auf der Bühne rockten. «Auch Hans Riegel, der Inhaber von ‹Haribo› leitete mit 90 Jahren noch eigenständig seine Firma», so Dr. Michael Prang, dem es keineswegs darum geht, das Alter zu verherrlichen. «Selbstverständlich kann Älterwerden auch Kranksein bedeuten», so der Medizinautor. Denn langfristige Gesundheit hängt auch vom Lebensstil und von den persönlichen Genen ab. Tatsache ist: Fast 25 Prozent der 70- bis 85-Jährigen leiden an mindestens fünf Krankheiten zur gleichen Zeit – so ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahre 2015. «Dies bedeutet aber nicht, dass Älterwerden eine Qual sein muss», findet Dr. Prang.
«Gegen viele Erkrankungen lässt sich auch im Alter etwas unternehmen. So gibt es zum Beispiel Hörgeräte gegen Schwerhörigkeit, Brillen und Laseroperationen bei Sehfehlern, Medikamente bei Herzerkrankungen, Physiotherapie bei Gelenkverschleiss und vieles mehr.» Das heisst: Selbst wer nicht mehr rundum vital ist, kann heutzutage dank moderner Medizin trotzdem noch aus dem Vollen schöpfen und den Alltag mit Freude und Spass erleben. Und beispielsweise eine langersehnte Kreuzfahrt machen, mit Freundinnen fein essen gehen, Yoga lernen oder sich für eine neue Partnerschaft öffnen. «Denn Älterwerden ist keineswegs automatisch mit Verfall und Verzicht auf Lebensqualität verbunden», bringt es der frühere TV-Doktor auf den Punkt. Sein Anliegen ist, das Selbstvertrauen älterwerdender Menschen zu stärken. Indem er gängige Vorurteile über das Alter analysiert und richtigstellt.
Drei typische Alters-Irrtümer – und was Dr. Prang dazu meint!
Spätestens mit 70 ist man alt: «Das ist Unsinn!» Es ist eine Sache der persönlichen Einstellung: «Anfang der Siebzigerjahre wurden Menschen oft schon mit 50 als alt bezeichnet. Heute zählt man erst die 75-Jährigen dazu. Es gibt aber auch Menschen, die mit über 80 Jahren vor Vitalität und Jugend geradezu vibrieren.» Es steht jedem Menschen frei, selber zu entscheiden, wie jung oder alt er sich fühlt!
Mit jedem Lebensjahr baut der Körper weiter ab: «Das stimmt nicht. Unsere Zellen und Organe erneuern sich laufend. Im Zeitraum eines Jahres werden bis zu 98 % unserer Atome ersetzt und gegen neue ausgetauscht. Für fast jedes Organ gibt es sogenannte Stammzellen, die neue Haut-, Blut- oder Schleimhautzellen produzieren.
Ein bisschen Verwirrtheit ist im hohen Alter normal: Verwirrtheit ist kein normaler Teil des Älterwerdens. «Verwirrtheit entsteht beispielsweise durch Medikamente. Je mehr Medikamente der Körper zu verarbeiten hat, desto wahrscheinlicher sind Neben- und Wechselwirkungen. Auch Austrocknung durch Flüssigkeitsmangel, Infektionen, Stoffwechselentgleisungen wie Diabetes oder chronische Erkrankungen können Verwirrtheit verursachen.»
Buchtipp
Das neue Sachbuch «Not Too Old to Rock’n’Roll. Die 77 grössten Irrtümer über das Älterwerden» von Dr. Michael Prang (Verlag C.H. Beck, Fr. 21.90, auch als eBook erhältlich) ist unterhaltsam geschrieben, dennoch profund recherchiert. Eine tolle Lektüre für alle, die sich auf das Älterwerden freuen wollen.