«In meinem Leben ist immer sehr viel los»

Seit fünf Jahren präsentiert die Moderatorin die Hauptausgabe der «Tagesschau». Ein aufreibender Job, den sie mit Herzblut macht. Kraft tankt sie im Privatleben – mit der Familie und durch die Musik.

Beschwingt begrüsst uns Moderatorin Cornelia Boesch (41) beim Eingang des Schweizer Fernsehens in Zürich. Bevor ihre Arbeit losgeht, hat sie Zeit für eine kleine Führung. Sie zeigt uns ihren bescheidenen Arbeitsplatz im Grossraumbüro, den Schnittplatz und das Studio, von wo aus sie die Zuschauer über die Lage der Welt im Bilde hält. Beim SRF ist Boesch, die mit Ehemann Thomas Wild (63) den achtjährigen Sohn Florian hat, schon seit über einem Jahrzehnt. Seit genau fünf Jahren aber moderiert sie das News-Flagschiff, die Hauptausgabe der «Tagesschau».

GlücksPost: Glückwunsch zum Jubiläum! Können Sie sich an Ihren ersten Einsatz erinnern?

Cornelia Boesch: Oh ja, es war praktisch ein Notfall. Wegen eines Krankheitsfalls musste ich zwei oder drei Wochen früher ran als geplant. Ich war angespannt, aber habe mich auch gefreut. Es ist alles gut gegangen.

Sie hatten ja schon «Tagesschau»-Erfahrung von den Mittags- und Mitternachts-Ausgaben. War es trotzdem anders?

Eher, weil die Leute sich anders verhalten haben: «Wow, das ist jetzt die Hauptausgabe!» Ansonsten ist vor allem die Sendung länger, man muss die Konzentration länger aufrechterhalten.

Und heute, alles Routine?

Eine Anspannung vor der Sendung braucht es, um sich zu fokussieren. Aber früher hätte es mich zum Beispiel gestresst, wenn eine Leitung nicht stand, heute weiss ich: Es klappt – oder halt nicht. Man gewinnt an Gelassenheit.

Gab es für Sie unvergessliche Augenblicke?

Das ist schon der Moment im Januar vor einem Jahr.

Als Sie wegen einer Grippe umgekippt sind?

Ja, das vergesse ich nicht so schnell. Und immer, wenn ich nah dran bin, erinnert mich jemand daran. (Sie lacht.) Es ist natürlich schon eine gute Geschichte, die ich noch meinen Enkeln erzählen kann. Aber damals war es der blanke Horror!

Sonst noch Unvergessliches?

Ich mag Wahlen, das sind historische Ereignisse, bei denen man ganz nah dran ist. Es werden Weichen gestellt. Politische Schwerpunkte sind mir lieber als Kata-strophen. Die traurigen Meldungen sind nicht die schönsten Seiten unseres Jobs.

Gehen Sie Ihnen sehr nahe?

Man kann nicht komplett emotionslos sein, aber darf diese Schicksale auch nicht auf seine eigenen Schultern laden. Eine gewisse Distanz muss da sein, auch um den Sachverhalt neutral einzuschätzen.

Sie sehen ja noch schlimmere Bilder als wir Zuschauer.

Ja, aber mit den Jahren lernt man auch sich selber kennen, wie viel man erträgt. Bei mir ist es recht viel, aber es gibt natürlich Bilder, da schaut mal als Schutz mal weg. Klar gibt es Tage, da hängt einem das eine oder andere Thema nach. Aber ich finde es wichtig, es nicht in die Freizeit zu tragen.

Werden Sie, seit Sie die Hauptausgabe moderieren, häufiger angesprochen?

Nein, selbst wenn ich zurechtgemacht vom Fernsehen komme, passiert das selten. Ich spüre eher, dass die Leute glauben, mich von irgendwoher zu kennen. Ich habe wahrscheinlich eine sehr private Ausstrahlung. (Sie lacht.)

… und zwei Gesichter, wie Sie mal sagten? Cornelia Boesch vom Fernsehen und Connie Wild, wie Sie seit der Hochzeit heissen.

Privat habe ich halt meine «Chrüseli», bin nicht so aufgebretzelt wie beim Fernsehen. Aber trotzdem sind es nicht zwei Persönlichkeiten, das bin beides ich. Ich habe verschiedene Seiten, muss nicht in eine Rolle schlüpfen fürs TV. Das ist eine andere Kulisse, als wenn man mit der Familie unterwegs ist – wie in fast jedem Job.

Wie wild sind Sie, abgesehen von Ihrem Nachnamen?

Na ja, in meinem Leben ist auf jeden Fall immer viel los. Ich mag und brauche das auch, liebe die Abwechslung. Ich finde es gut, dass ich neben der Familie, die mir das Wichtigste ist, nicht nur meinen Beruf habe, sondern als Drittes auch die Musik, die mich ausfüllt, oft natürlich auch zeitlich.

Sie singen seit 20 Jahren in der Band Souljam.

Ja. Das bringt für mich eine andere Inspiration, einen Ort, wo man kreativ sein kann, Gedanken zulassen, die im Alltag vielleicht keinen Platz haben. Musik ist ein toller Ausgleich, denn sie ist vor allem emotional, man muss an erster Stelle mit dem Herzen arbeiten.

Ihr Mann ist Schlagzeuger in der Band. Haben Sie Ihrem Sohn die Musik-Gene weitergegeben?

Ich denke schon. Er singt und bewegt sich gern, probiert gerade Instrumente aus. Natürlich stehen bei uns auch Schlagzeuge herum, die er sehr reizvoll findet. Aber er muss nicht, wir drängen ihn nicht. Uns beiden gibt die Musik so viel, es wäre ein Geschenk für ihn, wenn es bei ihm auch so wäre.

Was gefällt Ihrem Bub denn sonst noch ausser der Musik?

Florian ist ein extremer Naturbursche. Egal, ob wir im Wald, am See oder im Schilf sind, er fängt immer einen Fisch, entdeckt eine Kröte oder Blindschleiche.

Erzählen Sie uns mehr von ihm.

Er ist sehr emotional und hat ein gutes Herz, wirklich ein lieber Bub. Mit ihm wird es nie langweilig. Er ist weniger der Typ Vereinssport, sondern mehr der Entdecker, geht lieber mit seiner Schaufel in den Garten und gräbt irgendetwas aus. Am liebsten wäre er von morgens bis abends draussen.

Und seine Eltern ebenfalls?

Ja, ich brauche das, es gibt mir Lebenskraft. Mein Mann auch, aber er ist sowieso der unkomplizierteste Mensch, den es gibt. Er kann sich überall wohlfühlen.

Wer ist der ruhigere Pol von Ihnen?

Schon er, würde ich sagen, aber nicht still, sondern in sich ruhend. Er ist sehr gelassen, cool – nicht im Sinne von kühl, aber unaufgeregt. Ich kann schon eher ein Theater machen, wenn etwas nicht passt. (Sie lacht.)

Sie haben sehr ausgefüllte Tage. Können Sie auch mal faulenzen?

Ziemlich gut sogar! Wenn ich in Action bin, ist alles an mir in Action, aber wenn vormittags alle aus dem Haus sind, und alles erledigt ist, setze ich mich gerne einfach hin und tue gar nichts. Ich finde das ein wichtiges Gegengewicht zum eher hektischen Beruf.

Nachrichten sind sicher auch bei Ihnen zu Hause ein grosses Thema. Bekommt Florian mehr mit als andere Buben in seinem Alter?

Früher wäre das wohl so gewesen. Ich glaube, durch das heutige Konsumverhalten von News prasselt  aber auf alle Kinder extrem viel ein. Ich finde es wichtig, auch mal den Pausenknopf zu drücken und zu sagen: «Dein Planet ist hier.» Sie sollen doch keine Angst vor dem Leben bekommen. Man muss sie ja deshalb nicht unter eine «Paradies-Käseglocke» stecken.

Machen Sie sich Sorgen bei all dem Schlechten, was passiert? Auch auf die Zukunft Ihres Sohnes bezogen.

Jesses, man könnte sich ständig und über alles Sorgen machen, speziell in unserem Beruf. Ich finde, gerade deshalb muss man sich dem Leben zuwenden, in alle Richtungen offen bleiben und dankbar für das sein, was man hat.

Zuletzt: Bleiben Sie uns weitere fünf Jahre erhalten? Und welche Schlagzeilen würden Sie sich beruflich und privat wünschen?

Ich plane zumindest nichts anderes, mache den Job nach wie vor sehr, sehr gerne. Und natürlich wünscht man sich Schlagzeilen von geglückten Friedensprozessen, Lösungen für die Flüchtlingskrise. Privat ist es mir am liebsten, wenn es keine Schlagzeilen gibt, da mag ich es unspektakulär!

Was gibt es Neues? Zeitungen zu lesen, gehört zu Boeschs Job.

Was gibt es Neues? Zeitungen zu lesen, gehört zu Boeschs Job.