Sarah Fischer
«Ich bereue meine Mutterschaft»
Sarah Fischer ist eine der ersten Frauen überhaupt, die darüber spricht, warum es nicht nur pures Glück bedeutet, ein Kind grosszuziehen.
Sarah Fischer ist eine mutige Frau. Die 43-Jährige bricht ein Tabu, wenn sie sagt, dass sie es bereue, Mutter geworden zu sein und wünschte, sie hätte kein Kind bekommen. Doch bevor man sie verurteilt, muss man sich erst ihre Geschichte anhören.
Sarah Fischer war «schon» 39, als sie schwanger wurde. «So spielt halt manchmal das Leben», sagt sie zur GlücksPost. Angst, als Spätgebärende ein Kind zu bekommen, hatte sie nicht. «Ich habe einfach vertraut – und alles ging gut.» Isabelle kam kerngesund zur Welt. Sie sei ein Wunschkind, sagt die Deutsche. Sie und ihr Mann lieben die Kleine über alles. Dennoch sagt sie: «Ja, ich bereue es, Mutter zu sein. Ich bin unglücklich mit den gesellschaftlichen und familienpolitischen Rahmenbedingungen, die mich in der Mutterrolle empfangen haben.» Unter dem englischen Begriff «Regretting Motherhood» fasst man neuerdings Mütter zusammen, die sagen, dass sie die Entscheidung für ein Kind nicht noch einmal treffen würden. Weil von ihrem Leben zu wenig übrigbleibt. Die Mutterschaft sei mit sehr vielen Einschränkungen verbunden. Sarah Fischer hat ein Buch darüber geschrieben, möchte mit ihrem Geständnis Mütter dazu animieren, ihre Gefühle offen auszusprechen.
Die Ernüchterung kam bei ihr ein paar Monate nach der Geburt. Sarah Fischer fing wieder an, Vorträge über ihre Reisen in die Mongolei zu halten. «Ich musste Isabelle mitnehmen, es gab keine andere Möglichkeit. Als sie schrie, zerriss es mir fast das Herz. Ich konnte meinen Job nicht mehr so wie vorher machen. Ich war unkonzentriert, weil ich immer glaubte, Isabelle aus dem Nebenraum bei der Babysitterin zu hören.» Auch sonst gebe es zahlreiche Einschränkungen. Sie könne Jobs, auf die sie finanziell nun einmal angewiesen sei, nicht annehmen, weil sie sich nicht mit den Kindergartenzeiten vereinbaren lassen.
«Von Müttern wird von der Gesellschaft erwartet, konstant glücklich zu sein. Aber eine Frau kann doch nicht ihr ganzes Leben, ihre Interessen und Vorlieben vergessen, weil sie Mutter geworden ist», sagt Fischer. Nicht mehr zu arbeiten, kommt für sie nicht in Frage: «Ich wäre todunglücklich als Rundum-Mami. Dafür bin ich einfach nicht geschaffen.» Ihrem Mann Alexander (43) musste sie nicht gross beibringen, dass sie die Mutterschaft bereut. «Ich habe ihm das Buch-Exposé zum Lesen gegeben, bevor ich beim Verlag den Vertrag unterschrieben habe. Wäre er nicht einverstanden gewesen, hätte ich das Buch nicht geschrieben.»
Sarah Fischer arbeitet heute Teilzeit. «Ich halte kaum mehr Vorträge, da ich meist mehrere hintereinander absolvieren müsste, damit es sich finanziell lohnt. Ich habe zudem niemanden, der meine Tochter zum/vom Kindergarten bringt/holt. Mein Mann ist fest angestellt und kann sie entweder nur bringen oder nur holen.» Sie schreibt Bücher, hält Lesungen, verkauft Fotomaterial an Bildagenturen und betreut an Wochenenden Stadtführungen in München, wenn ihr Mann daheim ist.
Sarah Fischer betont noch einmal, dass Isabelle ein Wunschkind sei und ihr das Herz aufgehe, wenn das Mädchen vor Freude jauchze und sie umarme. Doch Isabelle wird dereinst lesen, was ihre Mutter zum Thema gesagt hat. Was dann? «Ich bin mir sicher, meine Tochter wird stolz auf ihre Mutter sein, dass sie sich getraut hat, offen zu sprechen. Und ich anderen Betroffenen geholfen habe, indem ich ihnen das Buch gewidmet habe.»
Buchtipp: Sarah Fischer: «Die Mutterglück-Lüge»,Ludwig Verlag, Fr. 23.90.
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